Rory Pilgrim, The Undercurrent (Video Still), Multimedia Installation, 2019-fortlaufend, Prix de Rome 2019 Courtesy: der Künstler und andriesse eyck galerie
Der Badische Kunstverein präsentiert noch bis 19. April 2020 die Einzelausstellung The Undercurrent des Künstlers Rory Pilgrim. Titelgebend ist der zentrale 50-minütige Film, für den Pilgrim kürzlich mit dem Prix de Rome 2019 ausgezeichnet wurde und der jetzt erstmals in Deutschland zu sehen ist. Der Film demonstriert Pilgrims geschickte Verflechtung von Erzählungen rund um dringende Fragestellungen der Gegenwart mit Musik und filmischen Stilmitteln als vielschichtiges Gesamtkunstwerk. Der Künstler zeigt zudem eine Serie handgemalter Plakate, die von ihm selbst komponierte Songtexte vorstellen, sowie Fotografien, Zeichnungen und Malereien. Die Plakate sind aus der langjährigen Zusammenarbeit des Künstlers mit dem traditionellen Plakatmaler David Andrews entstanden.
Rory Pilgrim arbeitet mit so unterschiedlichen Medien wie Film, Musikvideo, Text, Zeichnung und Performance. Er schreibt Songtexte, komponiert Musik und hinterfragt aus einer emanzipatorischen Perspektive, wie wir durch den Austausch und die Äußerung persönlicher Erfahrungen miteinander in Kontakt treten, reden, zuhören und gesellschaftliche Veränderungen anstoßen. In seinen Kollaborationen ist Pilgrim stark beeinflusst durch die Ursprünge aktivistischer, feministischer und gesellschaftskritischer Kunst. Er entwirft verschiedene Methoden des Dialoges, der Kollaboration und der Workshop-Arbeit, um mit anderen in Kontakt zu treten. In einem Zeitalter zunehmend technologischer Interaktion schafft Pilgrim mit seinem Werk Verbindungen zwischen Aktivismus, Spiritualität, Musik und der Art, wie wir auf lokaler und globaler Ebene eine Gemeinschaft zugleich vor und hinter unseren Bildschirmen und Displays gestalten können.
The Undercurrent ist ein eindringliches Statement zur Ära der Klimakrise und fragt nach den Möglichkeiten, wie Menschen auf persönlicher und privater Ebene mit diesem so bedrohlichen Problem umgehen. Der Film ist in Boise im US-amerikanischen Staat Idaho in Zusammenarbeit mit zehn jungen Klimaaktivist*innen aus Boise und Kleinstädten aus dem Umland entstanden, die sich auf einen Online-Aufruf des Künstlers gemeldet hatten. Während als zentrales Thema des Films zunächst der gesellschaftliche Wandel aufscheint, wird schnell deutlich, dass die Aktivist*innen auch den Einfluss der Klimakrise auf ihren Alltag, ihr Familienleben, ihre religiöse Identität, auf Freundschaften und den Kampf um Gleichberechtigung der Geschlechter erkunden. Der Film thematisiert zudem, welche Bedeutung ein Zuhause oder die Sicherheit und der Schutz haben, indem Obdachlose aus Boise über ihre Erfahrungen berichten.
Der Soundtrack wurde von Pilgrim und Sänger*innen aus Boise für Orchester komponiert und die Musik und die Songtexte kommen im gesamten Film zum Einsatz, um die emotionalen Ressourcen sichtbar zu machen, deren wir uns zur Äußerung krisenhafter Zustände bedienen. Der Film ist ein Versuch, mit Menschen in Boise ins Gespräch zu kommen, und bildet den ersten Teil eines größeren Werkkomplexes, in dem Pilgrim der Frage nachgeht, welche konzertierten Aktionen im Umgang mit der Klimakrise notwendig sind. Dabei geht es um weit mehr als die bloße Dokumentation oder Auflistung dessen, was wir verlieren – im Gegenteil: Das Medium Film kommt hier gleichsam als vorbeugendes Mittel gegen diese Verluste zum Einsatz. Mit The Undercurrent stellt Pilgrim in global ungewissen Zeiten die Frage, worauf unser Gefühl von Zugehörigkeit beruht – ist es ein Zuhause, ein Land, oder sind wir es gegenseitig?
Anlässlich der Ausstellung im Badischen Kunstverein wird Rory Pilgrim eine spezielle Veranstaltung mit Live- und Online-Songs und -Beiträgen von Kollaborateur*innen des Filmprojekts The Undercurrent initiieren. Um die Fragestellungen des Films und die Erfahrungen der jungen Klimaaktivist*innen zu vertiefen ist geplant, die fernen Stimmen aus Boise mit jenen junger Aktivist*innen aus Karlsruhe und ihrem Umgang mit der Klimakrise zusammen zu bringen. Die Veranstaltung wird mit Songs der 14-jährigen Declan Rowe John und der Künstlerin und Sängerin Ezra Hampikian aus Boise verflochten, die erstmalig Lieder aus The Undercurrent in Deutschland vorstellen. Im Kontext der Ausstellung wird zudem eine Publikation in der Vinyl-Reihe des Kunstvereins entstehen.
Mit freundlicher Unterstützung von Mondriaan Fonds, Niederlande
Rory Pilgrim (*1988, Bristol, UK) lebt und arbeitet in Rotterdam und Isle of Portland. Zu seinen Ausstellungen gehören: Stedelijk Museum Amsterdam, Amsterdam, NL (2019); Between Bridges, Berlin, DE (2019); South London Gallery, London, UK (2018); andriesse eyck galerie, Amsterdam, NL (2018); Rowing Gallery, London, UK (2017); Plymouth Art Centre, Plymouth, UK (2017); Flat Time House, London, UK (2016); Site Gallery, Sheffield, UK (2016); sic! Raum für Kunst, Luzern, CH (2014); Rongwrong, Amsterdam, NL (2014); Kunsthuis SYB, Beetsterzwaag, NL (2011). 2019 wurde Pilgrim mit dem Prix de Rome ausgezeichnet.
Ausstellung: Rory Pilgrim, The Undercurrent, bis zum 19.4.2020
Sonstige aktuelle Ausstellung: Jeremiah Day, If It’s For The People, It Needs To Be Beautiful, She Said, bis zum 19.4.2020
Weitere Informationen: www.badischer-kunstverein.de