Ballettbaukasten © Badisches Staatstheater Karlsruhe, Foto Florian König
Das Staatsballett im Onlinemodus, geht das überhaupt? Das frage ich Tonia Tilch, die als Referentin der Ballettdirektion am Badischen Staatstheaters Karlsruhe tätig ist. Im Laufe des letzten Jahres gab es diesbezüglich einige Entwicklungen. Natürlich habe im ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr erstmal Schockstarre vorgeherrscht. „Alle waren geplättet und verunsichert, sind erstmal zu Hause geblieben“, so Tilch. Peu à peu habe man dann aber zu einem eingeschränkten künstlerischen Leben und Training zurückgefunden. Eine der ersten Handlungen bestand darin, dass jedem/r TänzerIn ein Linoleumstück von 1×2 Meter für Hometraining zur Verfügung gestellt wurde, sei doch die Bodenbeschaffenheit eine der entscheidenden Grundvoraussetzungen fürs Ballett. Schließlich habe es dann mit der Ballettdirektorin Bridget Breiner und den Pianistinnen Zoom-Proben gegeben. Die Company fand sich in kleinen Gruppen zusammen und erarbeitete mit der Ballettdirektorin gemeinsam Schrittmaterial. Breiner habe kleinere Geschichten, vor allem Kinderbücher, vorgelesen, die die TänzerInnen dann interpretierten. Als es dann endlich in kleinen Gruppen wieder in die Probesäle ging, wurde dieses Schrittmaterial zu einer größeren Choreographie vereinigt. In der Tat seien Proben noch immer nur in reduziertem Maß möglich, was für die TänzerInnen ein großes Problem darstelle. Von Onlineprobeformaten habe man allerdings während des zweiten Lockdowns Abstand genommen. „Tänzer sind Hochleistungssportler, die im Normalfall täglich sieben Stunden trainieren und sich ständig fit halten müssen. Ihre Karriere bewegt sich, anders als in anderen künstlerischen Berufen, in einem eingeschränkten Zeitfenster“, erklärt Tilch und fährt fort: „Es ist klar, dass sie endlich wieder auf der Bühne stehen, ihrer Berufung folgen wollen. Die Pandemie bedeutet für die Company eine besondere Herausforderung.“
Auch wenn feststand, dass keine/r der TänzerInnen wieder in Zoom-Meetings proben möchte, so nutzen Breiner und ihre Company dieses Medium, um mit dem Publikum in Austausch zu treten, und zwar im Format des „Ballettbaukastens“. Die Reaktionen des Publikums waren überwältigend: „Wir sind überrannt worden“, so die Referentin. Im Rahmen einer Zoom-Veranstaltung können die Zuschauer nach vorheriger Anmeldung bei Tilch per Link teilnehmen. Per Chat wird z. B. eines von verschiedenen Kinderbüchern ausgewählt, zu dem sechs bis sieben Tänzer dann Schrittfolgen erfinden. Außerdem gäbe es eine Art Tanz-Pantomime-Raten, das sehr gut ankomme. Fest steht jedoch: „Theater ist ein Live-Event!“
Margret Scharrer im OPUS Kulturmagazin Nr. 85 (Mai/Juni 2021)