Garden of Resistance
–
Auf Einladung des Mudam haben Martine Feipel und Jean Bechameil (1975, Luxemburg / 1964, Paris) ein ortsspezifisches Projekt für den Jardin des Sculptures des Museums entwickelt. Ihre Installation steht im Dialog mit der einzigartigen Architektur des Ausstellungsorts – einem Raum mit Glasdach – und reagiert auf zugleich originelle und pointierte Art auf dessen ursprüngliche Funktion als Innengarten.
In ihren Arbeiten, die zahlreiche visuelle Bezüge zu den Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts wie Bauhaus, Konstruktivismus und Kubismus knüpfen, thematisieren Martine Feipel und Jean Bechameil die komplexen Beziehungen zwischen dem technischen und industriellen Fortschritt jener Zeit und den sie begleitenden sozialen Revolutionen, sprich den durch die damals vorherrschende Aufbruchsstimmung geweckten Erwartungen und der nachfolgenden Ernüchterung. Ihre Überlegungen zum Erbe der Moderne offenbaren den Zwiespalt zwischen der von ihr dargestellten Möglichkeit sozialen Fortschritts und besserer Lebensbedingungen einerseits, und ihren Schattenseiten andererseits, die mit einer schleichenden Entmenschlichung und fortschreitenden Atomisierung der Gesellschaft einhergehen. Mit Blick auf die heutigen Gesellschaften, deren Mitglieder im Alltag auf die Unterstützung technologischer Prothesen angewiesen sind, nähern sich die beiden Künstler der Frage der technischen Abhängigkeit unter einem neuen Blickwinkel.
Die Ausstellung mit dem Titel Garden of Resistance besteht aus drei Skulpturen, darunter eine neue Arbeit, die zusammen eine künstliche, automatisierte Landschaft bilden, in der leblose und lebendige Elemente koexistieren. Sie untersucht die Fähigkeit unserer natürlichen Umwelt, Strategien zu entwickeln, um sich dem Druck der menschengemachten Industrie zu widersetzen. Gleichzeitig beschwört sie das imaginäre Szenario einer gelungenen Hybridisierung von Natur und Technik, die den binären Gegensatz von Natur und Kultur in dem unsere Gesellschaften schon zu lange gefangen sind scheinbar überwindet. In einer Weiterführung dieser Hyperbel haben Feipel und Bechameil einen Garten neuer Art entworfen, dessen Bestandteile nicht pflanzlich, sondern metallisch und elektronisch sind. Die Natur wird hier sprichwörtlich denaturiert und mutiert zur Chimäre. Zwei Skulpturen, beide mit dem Titel L’Immortelle, stellen respektive einen Baum einer unbekannten Gattung mit einer widerstandsfähigen Rinde aus Aluminium und einen Kürbis dar, der die gleichen Eigenschaften aufweist.
Das Hauptwerk der Ausstellung, das dieser seinen Namen gibt, besteht ebenfalls aus Aluminium und weist mehrere aufgemalte Elemente auf. Optisch stellt es sich als gefällter Baum dar, dessen nackter Stamm quer im Ausstellungsraum liegt. Den oberen Teil schmücken bunte Sprösslinge in leuchtenden Farben, deren Präsenz auf die Widerstandsfähigkeit der Natur verweist. Ein toter Baum im Wald bleibt auch über sein Ableben hinaus ein Hort des Lebens, auf dem neue Biotope entstehen und der so zur Erneuerung der Flora und Fauna beiträgt. Eine genauere Beobachtung dieses Phänomens lehrt uns, dass die Zeit entgegen unserer kulturellen Gewohnheit, sie als eine lineare Abfolge von Ereignissen mit einem Anfang und einem Ende zu begreifen, zyklisch ist – eine Sichtweise, die in einer Welt der vorprogrammierten technischen Obsoleszenz noch verstärkt wird.
In der Skulptur Garden of Resistance verweist außerdem die kontinuierliche leichte Drehung eines Teilstücks des Baums auf die Präsenz von Leben. Diese gleichsam autonome Bewegung ohne Finalität kann auch als eine Form von Widerstand des mechanischen Objekts gegen seine Obsoleszenz gelesen werden, durch die es eine gewisse Resilienz erfährt. Das leichte Hintergrundrauschen, das die Besucher beim Gang durch den Garten begleitet, betont den Übergang von einem natürlichen, offenen Raum in einen architektonischen Ort, wobei dem durch das Glasdach sichtbaren Himmel die Rolle als einzig verbindendes Element zukommt. Die Waldgeräusche sind eingegrenzt, als ob alles Leben von außen in einem Raum zusammengeführt würde, um die Durchdringung von Natur und Künstlichkeit zu vollenden. Die Künstler erstellen mit ihrer Arbeit keinen Befund, sondern eröffnen vielmehr neue Reflexionsräume – vor allem in Bezug auf die Technik. Kann diese, indem sie einem der Natur und den Gesetzen der Evolution nachempfundenen Schema folgt, einem Objekt, einem Roboter oder einer Maschine es ermöglichen über sein aktuelles Stadium eines in sich geschlossenen, zeit- und funktionsbegrenzten Objekts hinauszuwachsen um zu etwas zu werden, das sich selbst regenerieren und neue Lebensformen hervorbringen kann – ein bis heute der Natur vorbehaltenes Privileg?
Die Künstler widmen in dieser Installation ihre Aufmerksamkeit der Natur, die über Jahrhunderte auf Distanz gehalten wurde und zu Beginn des 21. Jahrhunderts mehr denn je missbraucht wird. Ihre Anpassungsfähigkeit und Belastbarkeit erscheinen oft – zu Unrecht – als grenzenlos. Könnte die Mutation von Naturstoffen zu industriell hergestellten Materialien eine Umwelt neuer Art hervorbringen? In einer für ihre künstlerische Praxis charakteristischen Art und Weise nehmen Feipel und Bechameil auch hier den Umweg über fiktive Erzählungen, um uns besser in die zeitgenössische Realität zurückzuführen und uns mit ihren Herausforderungen zu konfrontieren.