Erster Kapellmeister Mark Rohde, Nationaltheater Mannheim © Foto Patrick Labitzke
Wachablösung am Dirigierpult des Mannheimer Nationaltheaters: Zu Beginn der laufenden Spielzeit übernahm Mark Rohde die Position des Ersten Kapellmeisters und Stellvertretenden Generalmusikdirektors. Drei Neuproduktionen bringt er in dieser Saison heraus: Bizets „Carmen“, „Phantome der Oper“, Jan Dvoraks „Revue aus 400 Jahren Oper“ und Mozarts „Entführung aus dem Serail“. Hinzukommen mehrere Wiederaufnahmen, die Skala reicht von Mozart über Donizetti bis zu Puccini und Humperdinck.
Frühere Stationen seiner Laufbahn – nach Studium in Frankfurt und seiner Geburtsstadt Hamburg – waren Osnabrück, Neustrelitz, Görlitz und Hannover, wo er übrigens direkter Kollege von Benjamin Reiners war, seinem Vorgänger am Nationaltheater.
Für seine Entscheidung für Mannheim, berichtet Rohde, war das umfangreiche Werkangebot der Schillerbühne einer der ausschlaggebenden Gründe. Dementsprechend gibt der junge Dirigent dem mitteleuropäischen Ensemble- und Repertoirebetrieb den Vorzug gegenüber dem Stagione-System, das mit wenigen, in unmittelbarer zeitlicher Folge und gleichbleibender Besetzung gespielten Stücken und ohne fest angestellte Sänger auskommt. „Die alternierenden Besetzungen (nebenbei auch im Orchester)“ – sagt er – „sorgen für Abwechslung. Es geht einfach lebendiger zu als im Stagione-System, in dem alles festgelegt ist. „Außerdem“ – sagt der Dirigent – „ist das Ensemble-Theater günstiger für junge Sänger. Dort können sich Karrieren behutsam entwickeln und man versucht, sie vor den Verlockungen des Opernbetriebs zu warnen und von verfrühten Karrieresprüngen oder Rollen abzuhalten, die die Stimme zu überfordern drohen. Im Stagione-Betrieb interessiert es dagegen häufig niemanden, ob der hoffnungsvolle junge Künstler (oder die talentierte junge Künstlerin) auch in zehn Jahren noch zu singen in der Lage sein wird.“
Nach seinen Repertoireschwerpunkten befragt, bricht Rohde eine Lanze für die Moderne, mit der er sich in den letzten Jahren ausführlich auseinanderzusetzen hatte: Der klassischen Moderne des vergangenen Jahrhunderts und der Gegenwart sollte wesentlich mehr Platz in den Spielplänen eingeräumt werden als bisher. Hans Werner Henzes „Englische Katze“ und sein „Junger Lord“ etwa seien authentische Gipfelwerke, von Manfred Trojahn und Wolfgang Rihm beispielsweise gebe es ebenfalls viel ausgesprochen Wertvolles, und Salvatore Sciarrino sei auch nicht zu vergessen, um nur einige Beispiele zu nennen. Es gelte, das Publikum zu überzeugen von der künstlerischen Substanz der wichtigen Werke Neuer Musik und vor allem Berührungsängste abzubauen.
Was die Arbeit eines Dirigenten betreffe, so komme es dabei heute vorrangig auf Management, Diplomatie, den Umgang mit Orchestern und Kommunikation an. „Die Zeiten haben sich geändert“, sagt Rohde: „Die Ära der Pultlöwen und Taktstocktyrannen gehöre der Vergangenheit an.“
Schließlich zu „Carmen“: die Mannheimer Inszenierung der renommierten koreanischen Regisseurin Yona Kim wird eine französische Dialogfassung mit (gesprochenen) spanischen Einlagen von Bizets Repertoireklassiker vorstellen, genau genommen also eine polyglotte „Carmen“. Sie greift zurück auf die Version der 1875-er Pariser Uraufführung und verzichtet auf sämtliche Zutaten von Ernest Guiraud, die zum Teil auch die Musik betreffen. „Ob diese Fassung“, so Rohde, „besser ist als die gängige, darüber kann man streiten – und soll auch.“
Gabor Halasz im OPUS Kulturmagazin 76 (November / Dezember 2019) auf S. 104. Weitere Beiträge zu Theater, Oper und Tanz finden sie in der Rubrik „Bühne“.