Szene aus einer Tanzproduktion des Ensembles BewegGrund mit Riana Schüßler (links) und Anne Chérel, © Simone Busch
„Spüre Deinen Atem“, weist die dunkelhaarige Frau auf dem Bildschirm mit sanfter Stimme die Tänzer an. „Dein ganzer Körper atmet“. Stille breitet sich aus. Nichts ist zu hören als leise Atemgeräusche. Dann die nächste Anweisung: „Mache eine Bewegung zu mir“. Und schon strecken sich die Arme nach vorn. Mit ihrem Tanz-Ensemble BewegGrund hat sich Maja Hehlen zur wöchentlichen Probe getroffen. Der Pandemie wegen diesmal nicht wie üblich in der Trierer Tufa, sondern per Zoom-Meeting. Das Ensemble, das dem 2013 in Trier gegründeten gemeinnützigen Verein Dance Ability angehört, widmet sich wie der Internationale Dachverband dem inklusiven Tanz nach der Methode von Alito Alessi. „Jeder Körper spricht“, hat der Choreograf erkannt. Die Körperstimme gestaltenreich und vielfältig zu entwickeln ist sein Ziel.
Der soziokulturellen Initiative des Vereins geht es gleichermaßen um Kultur- und Kunstförderung, wie um die Stärkung der Autonomie, gerade von Menschen mit Einschränkung, denen zudem der inklusive Tanz einen Weg gesellschaftlicher Teilhabe eröffnet. Nicht zuletzt will DanceAbility dazu beitragen, im Bereich des Tanzes Vorurteile abzubauen und Ausgrenzung zu verhindern. Wie für Alessi steht auch für Maja Hehlen fest: „Es gibt keine Hindernisse für den inklusiven Tanz“. Das Konzept müsse eben stimmen. Für die aus Bern stammende Psychologin, die heute in Wiltingen an der Saar lebt und heilpädagogische Erfahrung hat, ist das Gemeinschaftserlebnis der Ensemble-Arbeit und das Training sozialer Intelligenz entscheidender als das Thema des jeweiligen Tanzprojekts. Spannend bleibt es für die Gruppe dennoch bei jedem neuen Projekt, so wie seinerzeit beim munteren Roadmovie. Und auch das Sperrmüllprojekt, das gerade in Entwicklung ist, verspricht viele überraschende Geschichten. Wie anderswo im Tanztheater will auch Maja Hehlen ihren Tänzern innerhalb einer festen choreographischen Grundstruktur möglichst viel Raum für eigene Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten lassen. Schließlich soll die Arbeit von DanceAbility auch den Tänzer*innen helfen, persönliche Emotionen und Seelenzustände zu entäußern. Gut 20 Mitglieder gehören der Trierer Gruppe an. Das Mindestalter zum Beitritt ist 18 Jahre. Willkommen ist jede*r.
Die heutige Zoom-Probe findet in zwei virtuellen Sälen statt. Gerade ist in einem davon eine engagierte Diskussion im Gang, was als Nächstes geprobt werden soll. Ein junger Mann ist einverstanden, sein Trommelsolo zu wiederholen. Und schon geht die Post ab. Nebenan werden Bewegungsabläufe geprobt. Inzwischen ist es dunkel geworden. Hinten im Fenster blaut der Abend. Stimmungsvoll, ein wenig melancholisch erklingt die Musik, zu der Maja Hehlen ausdrucksvoll mittanzt. So wie die junge Frau mit dem dunklen Haar und dem Pony über der Brille im Raum oben im Bildfeld. Ihre geschmeidigen, fließenden Bewegungen kommen tief von innen heraus. Mehr und mehr scheint sie sich in die Musik zu verlieren, um mit jeder Drehung und Bewegung ein Stück Freiheit mehr zu gewinnen. Wie hatte Maja Hehlen gesagt: „Ich möchte, dass das Publikum von dem, das auf der Bühne geschieht, unmittelbar berührt wird.“ Ein Ziel, das auch bei der Zoom-Probe großartig erreicht wird.
Eva-Maria Reuther im OPUS Kulturmagazin Nr. 85 (Mai/Juni 2021)
Weitere Informationen unter www.beweggrund.net und www.danceability.de