Carl Rumstadt als Figaro und Barbier, Foto: Marco Piecuch
„Wer aber sind sie, sag mir, die Fahrenden, diese ein wenig Flüchtigern noch als wir“. Auf Rainer Maria Rilkes berühmte Frage zu Beginn der 5. Duineser Elegie antwortet Regisseur Yves Bombay in Trier jetzt auf höchst unterhaltsame Art. Passend zur Open Air Saison des Theaters hat er sich auf die alte Tradition der reisenden Schauspieltruppen besonnen. Als Wanderbühne und als Theater auf dem Theater inszeniert er in italienischer Sprache Gioachino Rossinis Opera buffa „Der Barbier von Sevilla“ für das Sommertheater im Brunnenhof. Sein Thespiskarren ist allerdings kein altmodisches Gefährt, sondern wie es sich für ein öffentliches Theater unserer Tage gehört, ein schnieker Anhänger im modischen Weiß mit ordnungsgemäßem Trierer Nummernschild. „Theater Trier“ steht auf den Türen zu lesen. Outdoor muss wegen des schlechten Wetters diesmal allerdings gegen indoor getauscht werden, soll heißen gegen die Bühne der Europahalle, vor der die Musiker des Philharmonischen Orchesters der Stadt Trier Platz genommen haben. Oben baut die Truppe erstmal ihre Bühne auf der Bühne auf, bevor die eigentliche Oper beginnt. Ein paar über eine Leine gehängte bunte Stoffbahnen werden zur Bühnenwand wie zur Tapete des Salons davor, den ein Sessel und ein Schreibtisch andeuten. (Bühne Yves Bombay, Alexander Roy) Als Balkon wird dahinter ein kleiner Perserteppich hochgezogen. Man ist schließlich im wohlhabenden Haus des bürgerlichen Dr. Bartolo, der sein adeliges Mündel Rosina heiraten will. Dabei kommt ihm der heillos verliebte Graf Almaviva mit allen möglichen Tricks in die Quere.
Auf eine Kurzfassung hat der Regisseur Rossinis bekannteste Oper (Libretto Cesare Sterbini) zusammengedampft. Das Destillat ist eine flotte sommerliche Komödie mit den für das Genre notwendigen Irrungen und Wirrungen und zum Teil funkelnder Musik. Der kultivierte Regisseur belässt es im übrigen nicht beim aktuellen Tagesgeschäft. Gleich eingangs vermisst Carl Rumstadt mit seinem Zollstock als Figaro und Barbier den Raum und zitiert damit nicht nur die vorangegangene Trierer Inszenierung von „Figaros Hochzeit“. Bombay spannt den Bogen zu Beaumarchais „Figaro-Trilogie“, als literarischer Vorlage, deren erster Teil der „Barbier“ ist. Damit aus der auf ihre Kernhandlung reduzierten Oper kein klappriges Skelett wird, hat sich der Regisseur auf ein probates dramaturgisches Mittel besonnen. Was an Handlung nicht gespielt wird, berichtet und kommentiert als Ich -Erzähler Figaro, das Faktotum der Reichen und Schönen und der Mann für alle Problemfälle. Eine Paraderolle für den Bariton und Erzkomödianten Carl Rumstadt, der im barocken Habit (Kostüme Carola Vollath) als ebenso lebenskluger wie pfiffiger Hans Dampf in allen Gassen das Stück zusammenhält und zudem mit Farbenreichtum und erfrischender Leichtigkeit dem „musikalischen Charmeur“ Rossini alle Ehre macht. Als Rosina ist Janja Vuletic eine selbstbewusste junge Frau, deren warmer Mezzosopran trotz gelegentlicher Ausreißer nach oben, anrührend das Wechselbad ihrer Gefühle veräußert. Blaise Rantoanina singt einen recht harten metallischen Almaviva. Dagegen legt Matthias Bein seinen Bartolo als einen eifersüchtigen Spießer an, der in der Musikstunde einschläft. Arg statisch wirkt Karsten Schröter als intriganter Don Basilio. Seiner Verleumdungsarie „La calunnia“ fehlt es an gefährlicher Tücke und Zynismus. Trotz aller Kürzungen muss das Publikum nicht auf seine Best of Arien verzichten, allen voran die Kavatine des Figaro „Largo al factotum“. Dynamisch und präsent dirigiert Generalmusikdirektor Jochem Hochstenbach das engagierte Philharmonische Orchester.
Die Inszenierung soll in der nächsten Spielzeit wieder aufgenommen werden.
Eva-Maria Reuther