Gernot Grünewald, Spezialist für Dokumentartheater © Michael Köpke
Geplant war es schon vor fast zwei Jahren – ein Stück zum Klimawandel. Doch dann kam einen Tag vor der Premiere der erste Lockdown. „Das Bühnenbild stand fünf oder sechs Wochen. Das Theater war verwaist“, erinnert sich Gernot Grünewald zurück. Die Zwangspause nutzte der Regisseur dazu, weiter an seinem Projekt zu feilen. „An der Corona-Krise kann man ablesen, wie die Gesellschaft auf Krisen reagiert. Daraus entstand die Idee zur Neuauflage, also keine Wiederaufnahme, sondern eine Neuproduktion auf Basis der alten.“ Der Titel „2027 – Die Zeit, die bleibt“ bezieht sich auf die aktuellen Erkenntnisse von Wissenschaftlern, dass zwischen 2027 und 2042 die kritische Grenze der Erderwärmung überschritten wird.
Vor diesem globalen Hintergrund taucht Grünewald gemeinsam mit zwölf Mannheimerinnen und Mannheimern, neun Jugendlichen und vier Schauspielerinnen und Schauspielern in den Mikrokosmos des Lebens ein. Die Frage lautet: Warum handeln wir so, als ob es den Klimawandel gar nicht gäbe? Der Theatermann findet drastische Worte: „Der Mensch ist ein blindgewordener Held, der auf den Abgrund zuläuft.“ Als Grundlage für das Theaterstück dienen Interviews mit Bürgern, Texte von Grünewald und dem Ensemble, die auf naturwissenschaftlichen Publikationen basieren, sowie die Fragen der Jugendlichen. Dabei entwickelt Grünewald bestimmte Sprachformen, zum Beispiel dadurch, dass Sätze mit „Die Wahrheit ist …“ oder „Wenn ich alt bin …“ beginnen.
Die Bühne ist in 21 Mini-Räume aufgeteilt. Deren Ausgestaltung orientiert sich an den echten Wohnungen der teilnehmenden Mannheimer, manchmal handelt es sich um eine Küche, ein Schlafzimmer oder ein Arbeitszimmer. „Der Bühnenbildner Michael Köpke hat ausgehend von Fotos einzelne Element dieser Räume herausgenommen“, erläutert der Regisseur.
Das Thema „Klimawandel“ im Theater ist nicht neu. Immer mehr Häuser bringen die Problematik, wie wir auf der Erde überleben können, auf die Bühne. Doch obwohl es sich um eine apokalyptische Erzählung handelt, gelten die Projekte teilweise als untheatralisch und spröde. „Bei Dokumentarstücken ist es eine zentrale Frage, wie man diese Themen theatralisch, atmosphärisch und sinnlich gestaltet“, ist Grünewald überzeugt. Er möchte daher Videos, eine Live-Kamera und Musik einsetzen, um auch emotional zu berühren. Der Regisseur ist für gutes Dokumentartheater bekannt. Sein Projekt über den Remstal-Rebellen Helmut Palmer wurde 2015 für den Faust nominiert, sein „angekommen“ über unbegleitete Flüchtlinge am Hamburger Thalia Theater erhielt 2016 den Kurt-Hübner-Regiepreis.
Astrid Möslinger
Nächste Termine: 23. Februar & 4. März, je 19 Uhr