AK 24 Die Kaskade von Tivoli, Johann Martin Rohden, 1825 © Arp Museum, Sammlung Rau für Unicef, Foto: Mich Vincenz
Passend zur Diskussion um den Klimawandel eröffnet das Arp Museum eine Ausstellung unter dem Titel „Die vier Elemente“. 42 hochkarätige Gemälde vom Mittelalter bis ins frühe 20. Jahrhundert stehen Gegenwartsfotos aus dem Wettbewerb „UNICEF-Foto des Jahres“ gegenüber. Dieser bildkünstlerische Dialog animiert tiefe Nachdenklichkeit über das Verhältnis zwischen Mensch und Natur.
Luft, Wasser, Erde, Feuer: Die Ausstellung in der Kunstkammer Rau des Museums gliedert sich entlang der vier Elemente, die von alters her als Grundbausteine irdischen Daseins betrachtet werden. „Geraten sie im Großen aus den Fugen, bedroht dies auch uns im Kleinen“, erläutert Museumsdirektor Oliver Kornhoff sowohl das historische Verständnis für die vier Elemente wie die aktuelle Lage im Hinblick auf den Klimawandel.
Kunstwerke aus dem Mittelalter spiegeln noch ein Verständnis vom Himmel als wohlgeordnetem Raum des Göttlichen. Dort thronen Gottvater, Maria mit dem Kinde und die Heiligen. Realer Himmel und Landschaften spielen noch kaum eine Rolle oder sind nur biblische Metapher. Mit dem 18. Jahrhundert und der Aufklärung werden die Naturelemente selbst zur schicksalhaften Größe. Pierre-Jacques Volaire malt 1767 lebensbedrohliche Sturmgewalten. In der Wasser-Abteilung schrumpft in Johann Martin von Rohdens Bild „Die Kaskade von Tivoli“ von 1825 der Mensch zum Miniwesen vor dem überdimensionierten Wasserfall.
Mit der Romantik sind dann auch jene Ambivalenzen im Verhältnis zwischen Mensch und Natur voll ausgebildet, die uns bis in die Gegenwart begleiten: Hier die bedrohliche Urgewalten; da Naturidylle als Sehnsuchtsort der Seele; dort die Natur als vom Menschen bedrohter Lebensraum. Feuer ist Ausgangselement der Zivilisation. Zugleich kann es Zerstörer sein, wie etwa Albert van der Neer in seinem Gemälde „Feuersbrunst in einem Schloss“ zeigt.
Erde ist vor allem in den Barock-Gemälden als Frau dargestellt, die eine Überfülle von Früchten kredenzt. Prall die Ernte, die etwa Frans Snyders 1630 als Früchtekranz um eine Büste der Fruchtbarkeitsgöttin Ceres malt. Gleich daneben ernüchternde Fotos von heute: Ein Junge, der in Afghanistan dürftige Feldausbeute auf dem Markt verkaufen muss; ein Mädchen, das auf einer iranischen Müllkippe ihr Armutsdasein fristet; ein Kind, das in Ghana aus unserem dorthin verfrachteten Elektroschrott inmitten giftiger Dämpfe Wertstoffe extrahiert.
Die Schau baut keineswegs auf den knalligen Schockeffekt. Die Kontraste setzen eher leise mal einen Gedankenstrich, mal ein Fragezeichen. Die Ausrufezeichen entstehen im Kopf des Betrachters, sobald er weiß, was er da sieht: etwa die bis heute anhaltenden Nachwirkungen des Chemieunfalls von Bhopal 1984; ein wunderschön wilder Kongofluss, der indes ein verheerendes Hochwasser mit sich bringt; ein hübsch blaues Flüsschen in Lesotho, dessen Färbung allerdings von Abwässern der Jeans-Produktion rührt.
Schließlich die reizende Paradeaufstellung zahlloser Boote auf einer himmelblauen Wasserfläche – in Wahrheit versammelt, um zu sterben. Denn das Wasser ist nur noch ein paar Zentimeter tief und das Foto von 2018 zeigt einen letzten Zipfel des ansonsten ausgetrockneten Hamun-Sees im Iran.
Andreas Pecht im OPUS Kulturmagazin Nr. 76 (November / Dezember 2019) auf S. 17 f. Weitere Beiträge zu aktueller Kunst finden Sie in der Rubrik „Farben und Formen“.
Infos: www.arpmuseum.org