Carrière barrois, der renaturierte Steinbruch wurde zu einem Freizeitgebiet © wikimedia.org, wikipedia
Unsere Entdeckungsreise durchquert das lothringische Kohlerevier zwischen Creutzwald und Folschviller und kreuzt immer wieder die Route der Jakobspilger, die das Projekt „Sternenwege“ wiederentdeckt hat. Von der Besiedelung seit keltischer Zeit zeugt die Felsengrotte am Hérapel bei Cocheren, die nahe Helenenkapelle ist Wallfahrtsort. Jahrhundertealte Städte, Burgen und Kirchen stoßen auf Industrieanlagen, bäuerliche Kulturlandschaften auf die künstlichen des stillgelegten Bergbaus. Die Grube Carreau-Wendel wurde Museum, der Steinbruch Carrière du Barrois bei Freyming-Merlebach renaturiert. Zwischen schroff abfallenden Felskanten breitet sich unten in der Senke ein Naturparadies mit Seen, Rad- und Wanderwegen aus.
Von den Mächtigen umkämpft, wurde befestigt, zerstört und wieder aufgebaut. Kirchtürme erhielten Schießscharten und Wehrgeschoss. Die sagenumwobene Heilig-Kreuz-Kapelle bei Forbach verkörpert in ihrer massigen Kubatur Abwehrkraft, überrascht mit einer sehenswerten Kreuzigungsszene im Eingangstympanon und Kreuzrippengewölbe. Reste der mittelalterlichen Burgfeste auf dem Schlossberg wurden als Steinbruch genutzt, bis ab 1881 der Metzer Dombaumeister Paul Tornow auf den ausgegrabenen Fundamenten des Burgfrieds den neogotischen Aussichtsturm „Saareck“ errichtete und den Burghof als Gutshof wieder aufbaute, heute das Schlossbergrestaurant. Das Theater Le Carreau gehört zu den 70 französischen Nationalbühnen und ist weithin bekannt. In Le Wiesberg schraubt sich die runde Backsteinkirche von Émile Aillaud wie ein Schneckenhaus in die Höhe. Auch sie ist einen Besuch wert.
Hombourg-Haut ließ der Bischof von Metz mit der Verleihung der Stadtrechte 1283 befestigen. Bis auf wenige Reste fielen Stadtmauer und Stadttore im 30-jährigen Krieg. Doch die Basilika Saint-Etienne bestimmt mit kubischen Proportionen und viereckigem, massigem Turm das Stadtbild. Sie ist Austragungsort eines internationalen Festivals zu Ehren des Komponisten Theodor Gouvy, der hier die Sommer verbrachte. Gouvy ist auch der Namensgeber eines hochmodernen Veranstaltungshauses im Zentrum von Merlebach. Die gotische, zweigeschossige Katharinenkapelle und der Weg durch Gärten und Obstwiesen sollte nicht verpasst werden.
St. Avold ist von Grün umgeben. Das Zentrum beherrscht die Benediktinerabtei St. Nabor, seit 765 Grabstätte des Heiligen. Seit dem Mittelalter bedeutende Wallfahrtsstätte, bot sie Pilgern Herberge und Hospiz. Die Konventsgebäude (18. Jhd.) flankieren den Portalturm der barocken Kirche, einer noblen Hallenkirche mit Querhaus (1755-1769). Zwei Reihen schlanker Säulen mit großartigen korinthischen Kapitellen gliedern sie. Sparsam verteilte dekorative Akzente lassen die Rokokotäfelung des Chorgestühls und die von zwei Karyatiden gestützte Orgelempore umso kostbarer erscheinen. Die sehenswerte Grablegung (16. Jhd.) überrascht mit faltenreichen Gewändern, ausladenden Turbanen und pittoresken Hauben. Darüber zieht ein figurenreich-bewegtes Steinretabel (15. Jhd.) die Blicke an. Von der Vergangenheit als blühendes Handelszentrum zeugen das bemerkenswerte Treppenhaus im Hôtel de Ville sowie barocke Patrizierhäuser. Abwechselnd Garnison der Preußen, der Nazis, der Franzosen und Amerikaner ist der cimetière militaire américain der größte US-Soldatenfriedhof in Europa.
Marlen Dittmann im OPUS Kulturmagazin Nr. 78 (März / April 2020) in der Rubrik Entdecken & Genießen