
Titelbild: Johannes Kühn sitzt inmitten seiner Bewunderer, 2020 © Foto: Anton Didas
Johannes Kühn war ein freigiebiger Mensch. Er hat Gedichte nicht nur für die Ewigkeit und für die Publikation in seinen 25 Büchern geschrieben, sondern auch zu konkreten Anlässen, beispielsweise zum Geburtstag eines Freundes oder zum Jubiläum des Sportvereins in seinem Heimatdorf Hasborn-Dautweiler. Wenn man ihn freundlich bat, dann warf der Dichter mitunter auch spontan ein paar Verse aufs Papier und machte sie dem Fragenden zum Geschenk. Diese Gelegenheitsgedichte, deren Zahl unbekannt ist, sollen jetzt gesammelt und gesichtet werden. Die Johannes-Kühn-Gesellschaft ruft deshalb die Bevölkerung von Hasborn-Dautweiler und des ganzen Saarlands auf, ihr solche Gedichte anzuzeigen und in Kopie zu überlassen, damit man sich einen genauen Überblick über diese besondere Facette der lyrischen Produktion des verstorbenen Dichters verschaffen könne. Ansprechpartnerin ist die in Hasborn wohnende frühere Tholeyer Kulturbeauftragte Jutta Backes-Burr, die dem Vorstand der Johannes-Kühn-Gesellschaft angehört und dort für solche Fragen zuständig ist.
„Wir haben den Eindruck, dass in der Bevölkerung von Hasborn-Dautweiler, aber auch im ganzen Saarland und darüber hinaus noch eine Menge Gedichte von Johannes Kühn existieren, von denen niemand außer den vom Dichter selbst Beschenkten eine Ahnung hat“, erklärte Jutta Backes-Burr in einer Pressemitteilung der Gesellschaft. „Wir möchten niemandem etwas abnehmen, sondern nur wissen, was es alles gibt.“ Es bleibe jeder und jedem Einzelnen überlassen, ob und in welcher Weise er oder sie den Besitz solcher Gedichte bekannt machen und sie für eine denkbare spätere Veröffentlichung zur Verfügung stellen möchte. „Wir werden die Privatsphäre aller Gebenden strikt achten und bitten nur darum, eine Fotokopie der betreffenden Verse machen und die Umstände ihrer Entstehung protokollarisch festhalten zu dürfen“, sagte das Vorstandsmitglied weiter. „In jedem Fall bleiben die Gedichte im Besitz des Gebers oder der Geberin.“
Jutta Backes-Burr wies zugleich darauf hin, dass diese Freigiebigkeit im Umgang mit seinen schöpferischen Erzeugnissen „ein ganz besonderer Charakterzug“ des am 3. Oktober 2023 verstorbenen Dichters gewesen sei. Es zeichne ihn auch aus, dass er jeden Tag mindestens drei Gedichte verfasst habe, im Ganzen mehr als 30.000, so weit bekannt. Die allermeisten davon seien bisher unveröffentlicht. Hier tue sich für die Experten, die das literarische Erbe von Johannes Kühn erforschten, ein weites Feld auf. Auch die Gelegenheitsgedichte könnten in der Zukunft für die Forschung von großem Interesse sein, deshalb müssten sie so bald wie möglich erfasst werden, sagte Jutta Backes-Burr weiter.
Johannes Kühn hatte sich zu Lebzeiten zu dieser spezifischen Art seiner Produktion stets bekannt und erklärt: „Ich schreibe für alle, und sehr leicht.“ Er habe „eine Genugtuung“ empfunden und es als einen Akt der Anerkennung betrachtet, als Frauen aus dem Dorf oder auch die Hasborner Feuerwehr sowie das Rote Kreuz und der Sportverein ihn zu besonderen Anlässen um ein Gedicht gebeten hätten. „Da muss man auch Gedichte schreiben, die die verstehen“, sagte er in einem Interview mit dem Journalisten Klaus Brill, das 2009 in dem Magazin „Der Dichter aus dem Dorf“ in der Edition Schaumberg (Alsweiler) erschien. Auch Goethe habe solche Carmina verfasst, erklärte er. „Es gibt ja einen ganzen dicken Band dieser Gedichte, zur Hochzeit von Prinzessin Sowieso oder zum Geburtstag… und wenn Goethe das nicht anstößig empfand, empfinde ich das auch nicht anstößig.“
Alle in Frage kommenden Personen werden gebeten, sich bei der Johannes-Kühn-Gesellschaft über die Web-Adresse kontakt@johannes-kuehn.de oder direkt bei Jutta Backes-Burr zu melden. Sie ist erreichbar unter der Adresse Waldstr. 32, 66636 Tholey-Hasborn oder über Telefon 06853-7877. Vertraulichkeit wird zugesichert.
https://www.johannes-kuehn.de/jkg.html


