Blick ins Restaurant Louis © Tom Gundelwein
Feinspitze, die im Raum Saarlouis unterwegs sind, sollten einen Stop einlegen, besser noch einen Stopp! Im Hotel La Maison, dem Hotspot der Hotellerie in der Kreisstadt, kocht ein Meister auf: Martin Stopp, seit 2015 Chef am Saarlouiser Herd, ist mit seinem Fine-Dining-Restaurant Louis in der Gourmet-Champions League angekommen. Der 39-jährige Koch – wie die anderen saarländischen Küchen-Aufsteiger Marc Pink (Landwerk, Wallerfangen) und Silio Del Fabro (Esplanade, Saarbrücken) ein Schüler Klaus Erforts – hat die Stadt Saarlouis auf die Landkarte der Feinschmecker gebracht. Der begehrte Michelin Stern leuchtet seit diesem Jahr über der schönen Maison.
Saarlouis, Prälat Subtil Ring 22, das war viele Jahre lang die Adresse des Saarländischen Oberverwaltungsgerichts. Der Ort an dem bis 2005 höchstrichterlich Kontroversen zwischen Staat und Bürgern entschieden wurden, beherbergt sozusagen noch immer das Gerichtswesen: Statt verwaltungsgerichtlichen Belangen sorgen seit 2015 Fisch-, Fleisch- und Gemüse-Gerichte für Publikumsverkehr.
Dass aus dem Gral der Justiz eine Oase der Ruhe, Entspannung und genussreicher Nahrungsaufnahme wurde, ist Günter Wagner zu verdanken. Der ist der Sohn des Pizza-Großbäckers Ernst Wagner (Wagner Pizza). Der Verkauf der Unternehmensanteile an Nestlé setzte ihn in den Stand, millionenschwer in ein eindrucksvolles Genuss-Projekt zu investieren. Die Gründerzeitvilla am Rand der Saarlouiser City war Liebe auf den ersten Blick. Wagner erkannte auch sofort das Potential des lange verwaisten Gerichtsgebäudes.
Durch seine kulinarische Vita geprägt kam der Unternehmer bald zu dem Entschluss, Justitias frühere Heimstatt in ein luxuriöses Hotel zu verwandeln. Die Architektin Birgit Nickolay und die Interior-Designerin Conni Kotte leisteten ganze Arbeit und schufen mit Meisterhänden ein Refugium für eine anspruchsvolle Klientel, die hier Glättung der Nerven und Anregung aller Sinne erwartet. Das Vier-Sterne-Superior-Hotel La Maison ist bequem und ästhetisch. Es verströmt gleichermaßen Eleganz und Behaglichkeit.
Ein so nobles Hotel braucht eine adäquate Küche, zumal wenn der Hausherr Günter Wagner heißt. Der war vor seiner Zeit als Pizza-Fabrikant selbst als Koch in erstklassigen Restaurants tätig, darunter die Hostellerie Bacher in Neunkirchen, das Alte Gasthaus Müller und der Handelshof in Saarbrücken. Mindestens auf diesem Niveau sollte auch in Wagners eigenem Haus gekocht werden. Der Hedonist und visionäre Hotelier fand für seine Idee kongeniale Mitstreiter, allen voran den Küchenchef Martin Stopp und den Sommelier Robert Jankowski.
Beide haben sich in ihren jungen Jahren auf einem Lehrparcours gespickt mit Top-Adressen für ihre heutigen Führungspositionen qualifiziert. Jankowski als souveräner Sommelier im Hotel-Restaurant Dollenberg in Bad Peterstal-Griesbach, im Schloss Neuweier und in Harald Wohlfahrts Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn.
Der aus Saarwellingen stammende Martin Stopp wurde vor allem geschult und inspiriert vom Saarbrücker Küchen-Doyen Klaus Erfort, dem er in der Orangerie des Parkhotels Gengenbach in Völklingen und im Schloßrestaurant des Grundig-Hotels Bühlerhöhe zuarbeitete. Erforts Einfluss und Stationen bei zwei berühmten Schweizer Meisterköchen (Hans Stucki in Basel und Hans Peter Hussong in Uetikon bei Zürich) schärften seinen Blick und sensibilisierten das Talent des jungen Himmelstürmers für die Finessen der Hochküche.
Im Berliner Fusion-Restaurant Oktogon war Stopp erstmals Chef de Cuisine, ehe er 2006 ins Saarland zurückkehrte. Dort erkochte er als Küchenchef bei Jens Jakob dem Restaurant Le Noir zwei Michelin Sterne. Der eloquente, meinungsstarke Mann fährt in der Saarlouiser Maison wie nicht wenige seiner renommierten Kollegen zweigleisig: Seit der Eröffnung des Hauses 2015 bietet er im geschmackvollen Ambiente des luziden Pastis schmackhafte und überdies verbraucherfreundlich kalkulierte Bistro-Küche. Wohl dem, der in der warmen Jahreszeit einen Platz auf der herrlichen Sonnenterrasse (mit Gartenblick) ergattern kann!
Den Plan, das kulinarische Gesamtkunstwerk zu krönen, hat das Triumvirat Wagner–Stopp–Jankowski im August 2017 in die Tat umgesetzt. Im ehemaligen Sitzungssaal des OVG wird jetzt Feinschmeckerküche aufgetragen. Das Restaurant gastronomique trägt eingedenk des in Saarlouis allgegenwärtigen Sonnenkönigs den Namen Louis. Es ist von Mittwoch bis Samstag jeweils nur abends geöffnet und bietet zwei Menüs an, in denen Martin Stopp seiner Kunstfertigkeit und seinem Ideenreichtum freien Lauf lässt.
Die Karte wird kontinuierlich aktualisiert. Sie enthält natürlich die Prestigeprodukte, die man in einem solchen Rahmen erwartet. Unter Martin Stopps kreativen Händen werden aber auch scheinbar schmucklose Viktualien wie Karotten, Schweinebauch, Ochsenbäckchen und Kalbshaxen zu Delikatessen der Hochküche veredelt.
Ein Koch, der so unterschiedliche Lehrstationen absolviert hat, beherrscht selbstverständlich die ganze Bandbreite von Arbeitstechniken: Fermentieren, Gefrieren mit Stickstoff, Tricks und Effekte der Molekularküche und vieles mehr. Stopp macht aber aus solchen Küchen-Modernismen keine Religion. Das Handwerk sei nur die Basis, das Mittel zur Artikulation eines eigenen Ausdrucks.
Bei den Köchen ist es wie bei anderen Protagonisten der schönen Künste: Ob ein Koch ein guter oder ein großer ist, darüber entscheidet, ob sein Werk wiedererkennbar ist oder nicht. Ist einer ein Schöpfer oder bloß ein Eklektiker?
Martin Stopp pflegt deshalb seine eigene Koch-Identität; seine Küche soll unverwechselbar und ein nachhaltiges Erlebnis sein. Er beschreibt seinen Kochstil mit „auf der Höhe der Zeit, aber in der Tradition geerdet“. Natürlich beeinflussen ihn persönliche Vorlieben: An der asiatischen Küche gefällt ihm die Leichtigkeit, an der französischen die Vielseitigkeit und der Esprit. Die Cucina Italiana sagt ihm wegen der opulenten Aromen-Intensität zu.
Günter Wagner beschreibt die Philosophie seines Hauses so: „Eine Mischung aus Leidenschaft, Vernunft und Können“. Und immer wieder fallen Begriffe wie „Teamplayer“ und „Mannschaftsgeist“. Er selbst lebt den Team-Spirit, lehrt ihn doch die Erfahrung: Auch der beste Solist kann abstürzen, wenn ihn nicht ein stabiles Orchester trägt.
PS: Mit Günter Wagners edlen Restaurants schließt sich in der Saarlouiser Gründerzeitvilla auf wundersame Weise ein Kreis: Das Haus wurde 1913, also lange vor seiner Gerichts-Ära, als „Offiziers Speiseanstalt“ errichtet. Wo weiland ranghohe Militärs zur kollektiven Nahrungsaufnahme antraten, da labt sich heute die betuchte Bourgeoisie an Martin Stopps Gourmet-Kreationen. So schöne Kapitel schreibt die Saarlouiser Kulturgeschichte.
Peter Michael Bitz in OPUS 74 (Juli / August 2019) auf S. 89 & 90