Johannes Kalitzke // Copyright: Stefan Fuhrer
von Friedrich Spangemacher
Sie habe hier in Saarbrücken wirklich ein viel zu wenig bekanntes Kleinod der Pflege Neuer Musik erlebt, so die niederländische Mezzosopranistin Christianne Stotijn, die am vergangenen Sonntag den Solopart in einem bemerkenswerten Stück des holländischen Komponisten Michael van der Aa übernahm. Tatsächlich hat sich das Orchester in einem ganz der zeitgenösssichen Musik gewidmeten Konzert in der „Mouvements“-Reihe in Glanzform gezeigt. Am Pult stand Johannes Kalitze, von dem auch ein eigenes Stück auf dem Programm stand; dazu kamen noch Werke von Hans Zender und Claude Lefebvre. Neue Musik kann das Orchester vorzüglich, und wenn ein Spezialist wie Kalitzke am Pult steht,dann darf man von erhellenden und getreuen Interpretationen ausgehen.
Van der Aas Orchesterliederyklus „Spaces of Blank“ führt uns in die poetische Welt von Emily Dickinson und Rozalie Hirs, in die Atmosphäre der Einsamkeit, des Unendlichen, der Leere und des Erschreckens. Die eher gedämpften Harmonien zu Beginn mit ihrem sakralen Unterton gaben die atmosphärische Vorgabe, dann kommen zunehmend Szenerien von innerer Erregung, in denen sich Singstimme und Orhester auf unerschiedliche Weise verschränken, vereinen. Es gibt exaltiertere Töne, die Ausbrüche des Erschreckens, die dann wieder ins Diszanzierte versinken.
Eine ganz andere Szenerie war bei Hans Zenders „Kalligraphie IV“ zu erleben. Das Stück bezieht sich auf die japanische Tradition des Schön- und Abschreibens. Musikalischer Ausgangspunkt für Zender ist aber eine gregorianische Sequenz, die das eher ruhige Werk, das nichts zitiert, einfärbt. Die Musik läßt sich irgendwo zwischen Asien und dem europäischen Mittelalter verorten, in einer Klangsprache, die letztlich aber sehr modern ist und einfühlsame Hörer braucht. Dann gab es eine lohnende Wiederbegegnung mit dem vor 6 Jahren verstorbenen Komponisten Claude Lefebvre . Sein Sück „Cor(ps) à cor(ps) ist ein Konzert für 2 Hörner und Orchester, in dem die metallischen Klänge der Solisten die Vorgaben machen und Leitsterne im Geschichtenerzählen sind, die sich aber auch auf Streitgespräche einlassen: ein fein herausgehörtes Stück aus dem Jahre 2000. Perfekt und überzeugend waren die beiden Soisten Xiao Ming Han und Benoit Gausse, die das Stück zu einem runden Ende vorantrieben.
Am Schluß dann das halbstündige Stück „Story Teller“ von Johannes Kalitze, ein musikalisches Tribut an den Photographen Tim Walker und seine surrealen Phantasien, die der Modewelt entlehnt sind, aber weit davon weggeführt werden. „Story Teller“ heißt eines seiner Alben und Kalitzlke hat sich inspirieren lassen und eigene Szenerien entwickelt mit einer ganze Welt voller Anspielungen, von schimmernden kaum greifbaren Bildern, von Striktem, Klarem, aber auch von Andeutungen, von Walzerseligkeit, Kostümwechseln…. Es sind surreale Phantasien die den Hörer gefangen nehmen, der gelungene Versuch, eine Vielfalt von atmosphärischen Stimmungen einzufangen. Und in diesem Ansatz und auch in seinen Klängen ist Kalitzle plötzlich ganz nahe bei Bernd Alois Zimmermann, und er zeigt damit, dass solche Ansätze Aktualität haben, auch und gerade heute.
Johannes Moser war ein phantastischer Solist am Cello mit ausdrucksstarken solistischen Passagen. Die Deutsche Radio Philharmonie hat einmal mehr bewiesen, dass die Neue Musik bei ihr bestens aufgehoben ist.