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„Die Ratten“ im Hier und Jetzt

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Kinderwunsch führt in die Katastrophe: Verena Maria Bauer und Raimund Widra als Ehepaar John © Martin Kaufhold, Saarländisches Staatstheater

Gerhart Hauptmanns von seinen zahlreichen Gegnern zur „Rinnsteinkunst“ gebrandmarkte Bühnenkunst revolutionierte das Theater. Wie in seinem bei der Premiere 1911 durchgefallenen Stück „Ratten“ spielten bei ihm die um ihre Existenz kämpfenden Unterschichten die Hauptrolle. Dieses Stück nach gut 100 Jahren wieder auf den Spielplan zu bringen, war eine grundsätzlich kluge Entscheidung, leben wir doch aufgrund des Ukraine-Krieges und der anhängenden Energiekrise in massiven Zukunftsängsten. Julia Prechsl, Regisseurin mit der Empfehlung ihrer damals vielgelobten „Trüffel Trüffel Trüffel“ Inszenierung erneut in Saarbrücken verpflichtet, wollte es nicht bei einem Remake des Szenedramas belassen, sondern dockte die Hauptmannsche Tragödie konsequent im Hier und Jetzt an. Das klappte gut auf Michael Lindners Drehbühne mit ihren schnellen Schauplatzwechseln vom Keller über den Fundus bis auf den Dachboden, das überforderte aber auch, wenn Regie und Musik (Fiete Wachholtz) das Geschehen mit Trommel-Gewitter und schnellen Beat-Schlägen aus der Puste brachten. Frau John (Verena Maria Bauer), die ihre Ehe mit dem Maurerpolier John durch ein dem Dienstmädchen Pauline (Simone Müller) abgekauftes Baby retten möchte, findet in dieser atemlosen Inszenierung überhaupt keine Ruhepunkte mehr. Regisseurin Julia Prechsl hat zu viel zu tun, dieses Stück mit seiner eher den heutigen Modekatalogen entlehnten Ausstattung (Miriam Waldenspuhl) und seinen Anspielungen auf aktuelle Gelder- und Queer-Debatten in heutigen Diskussionswelten anzudocken, als die Innenwelten der Figuren auszuloten. Und wenn, dann geht vieles im Lamento und Gekreisch unter. Diese Überhitztheit geht auf Kosten der „Milljöh“-Zeichnung, das geht aber auch zu Lasten der unterbelichteten Randfiguren, wenn beispielsweise der zum Dienstmädchen-Mord angestiftete Bruno Mechelke (Michael Wischniowski) seltsam blass bleibt und sich zum Abschied ein Tänzchen mit seiner am Ende den Freitod wählenden Schwester leistet. Gregor Trakis als Theaterdirektor Hassenreuter und Raimund Widra als John füllen ihre Hauptrollen untadelig, bleiben aber in ihrem Spiel eindimensional und ohne Widerhaken. Schade, weniger wäre am Ende mehr gewesen und hätte Hauptmann sicherlich auch in seiner Bedeutung für das Hier und Jetzt erstrahlen lassen.

Burkhard Jellonnek

Weitere Informationen: www.staatstheater.saarland

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