Foto: Karat, 1975 in der DDR gegründet, ist heute eine Legende. © Michael Petersohn
Der Wind beim Euroclassic-Festival weht so, wie er beim Kultursommer Rheinland-Pfalz weht, weil von dort die meisten Zuschüsse kommen. In diesem Jahr von Osten, denn das Thema „Ostwind“ ist Programm, es wurde lange vor dem Krieg Russlands festgelegt. Und es stand nie in Frage, wie Projektleiter Thilo Huble, der Zweibrücker Kulturamtsleiter, erklärt. Vom 27.8. bis 31.10. sind zwischen Zweibrücken, Pirmasens, Blieskastel und dem grenznahen lothringischen Bitscher Land Künstler aus Ländern zu hören, die östlicher als diese Region liegen. Es muss nicht gleich Russland sein, auch das frühere Ostberlin tut es, denn daher kam Karat, die Vorzeigerockband der DDR („Über sieben Brücken“). 1975 gegründet, gibt es sie immer noch – die Jungs oder besser die Senioren singen ihre Ohrwürmer am 30.9., um 19:30 Uhr, in der Zweibrücker Festhalle. Noch in der DDR geboren (1964 in Dresden) ist auch der Schauspieler Jan Josef Liefers, der mit seiner Band Radio Doria am 23.10. in der Zweibrücker Festhalle spielt.
Natürlich gibt es auch Russisches – man will Brücken bauen mit Musik, nicht sie einreisen. Außerdem: der heimliche Star des Festivals ist Russe: Alexandr Misko. Der 24-jährige Fingerstyle-Gitarrist, Komponist und Arrangeur aus Krasnodar (Südrussland) kam innerhalb kürzester Zeit im Internet zu Weltruhm – mit eigenwilligen Covertiteln. So hat er originelle Versionen von „Africa“ von Toto, Wham!s „Careless Whisper“, Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ und „Wonderful Tonight“ von Eric Clapton zu bieten. Gerade hat er sein sechstes, im Lockdown entstandenes Album vorgelegt, aus dem er am 3.9. in der Zweibrücker Alten Feuerwache einige Titel spielen wird. Aus Russland kommen auch Die Bolschoi Don Kosaken am 30.10. in die Zweibrücker Festhalle. Huble betont, dass sich die Zusammenarbeit auf einzelne freie russische Künstler beschränkt, Kooperationen mit staatlichen russischen Kultureinrichtungen gibt es nicht, stellt er klar.
Nochmal Russland: Zur Festivaleröffnung am 27.8. wird die belarussische Dirigentin Inessa Bodyako (geboren 1972 in Vitebsk) erwartet. Sie soll in der Contwiger Kirche Sankt Laurentius den Landesjugendchor Rheinland-Pfalz, einen Projektchor, bei einem Konzert unter dem Motto „Love and Fear“ mit A-Cappella-Werken aus Russland und Belarus führen. Östliches, diesmal vom Balkan, bietet das Duo Raskovnik am 7.10. in der Kirche von Loutzviller bei Bitsch, und die sechs Musiker von Halva, die Streicher betonte Eigenkompositionen mit jüdischem und osteuropäischem Einschlag spielen. In Pirmasens spielt das Frank Dupree Trio am 6.9. in der Festhalle Solostücke für Piano des ukrainischen Komponisten Nikolai Kapustin (1937-2020) und am 15.10. die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz Kapustins Konzert für Cello und Orchester Nr. 1 und von dem böhmischen Komponisten Antonin Dvořák die Sinfonie Nr. 7 d-Moll. Insgesamt sind 26 Konzerte geplant, sieben in Zweibrücken, sechs in Pirmasens, zwei im Zweibrücker Land, vier in Blieskastel und sieben im Bitscher Land.
Andrea Dittgen im OPUS Kulturmagazin Nr. 92 (Juli / August 2022)