Ministerpräsident Tobias Hans © Staatskanzlei, Foto Carsten Simon
OPUS: Es ist jetzt schon eine Reihe von Jahren her, seit Professor Robert Leonardy begann, für die Saarphilharmonie zu werben, weil der große Saal der Congresshalle Saarbrücken sowohl vom Klangvolumen her als auch hinsichtlich der Zahl der Sitzplätze den Anforderungen an einen modernen Konzertsaal in unserer Zeit nicht mehr entspricht. Die Musikfans im Saarland setzen sich inzwischen für ein Musikzentrum ein, das nicht nur den Bedürfnissen optimaler Konzertaufführung Rechnung trägt, sondern sich darüber hinaus auch allen Formen der Musik von der Klassik über die leichte Muse und den Jazz bis hin zu Rock/Pop öffnet. Das Saarland könnte dadurch für Musikveranstaltungen aller Art endlich konkurrenzfähig werden. Was halten Sie von dieser Projektidee?
Ministerpräsident Tobias Hans: Ich habe großes Verständnis dafür, dass ganz viele kulturaffine Menschen im Saarland ein neues Musikzentrum fordern und dies wäre gewiss auch eine Attraktivitätssteigerung für unsere Landeshauptstadt. Und der gesamten Musikszene, die von Corona besonders hart getroffen wird, würde das mehr als guttun. Ich gehöre auch nicht zu denen, die sofort sagen, dass wir das finanziell nicht schaffen. Es kommt auf die Dimension und auch auf die Bauweise an. Ein hervorragendes Beispiel ist die Schweiz: Dort hat man solche Veranstaltungshallen für Konzerte und Kultur-Events zum Beispiel durch Holzbauten realisiert, die gleichzeitig modernsten Ansprüchen entsprechen. Wenn wir uns an einem solchen Konzept orientieren, haben wir eine reelle Chance, ein Musikzentrum im Saarland zu verwirklichen. Gleichzeitig hätte auch unsere Radiophilharmonie als herausragender Klangkörper eine angemessene Heimstätte. Ob der begrenzten Mittel von Land und Landeshauptstadt wäre es verfrüht für bindende Festlegungen, aber wir wollen dieses Thema weiterentwickeln und ich bin dazu auch mit der Kulturszene in einem aktiven Austausch.
Es gibt noch eine weitere Baustelle im Musikbereich. Das Kulturministerium hat nach unseren Informationen die Landesregierung davon überzeugt, dass die Hochschule für Musik sanierungsbedürftig ist. Wie stehen Sie zu einem Kombi-Projekt, das Musikzentrum und Neubau der Hochschule für Musik unter einem Dach zusammenführt?
Sie haben Recht, die Hochschule für Musik hat dringenden Raumbedarf, das ist in der Landesregierung bekannt. Ich werde alle Beteiligten noch einmal bitten, zu prüfen, ob ein solches Kombi-Projekt sinnvoll sein könnte und ob damit Synergien verbunden wären.
Nach Auskunft von Bauexperten steuert die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit Blick auf energetische Optimierung bis zu 25 % der Baukosten für öffentliche Bauten als Zuschuss bei. Halten Sie es für denkbar, dass für das in dieser Form in Deutschland einmalige und überdies effektiv nachhaltige Kombi-Projekt darüber hinaus Zuschüsse aus dem Kulturhaushalt des Bundes und Förderung aus Hochschulbaumitteln erreichbar sind?
Die konkreten Zuschussprogramme müssen vertieft geprüft werden. Denkbar ist vieles und klar ist auch, ohne Zuschüsse würde sich ein solches Projekt nicht realisieren lassen.
Anderenorts, wo ähnliche Vorhaben mit großem Rückhalt von Bürgerschaft und Wirtschaft umgesetzt wurden, wie zum Beispiel bei der Philharmonie in Bochum oder bei dem Festspielhaus in Baden-Baden, konnten erkleckliche Summen über Fundraising aufgebracht werden. Schon vor einiger Zeit hatte Prof. August-Wilhelm Scheer zugesagt, für eine Konzerthalle in Burbach einen namhaften Betrag zu spenden. Was versprechen Sie sich von einer Fundraising-Kampagne hierzulande?
Schon mein Vor-Vorgänger Peter Müller hatte eine Zusage gegeben, für jeden privaten Euro einen öffentlichen Euro drauf zu legen. Erste größere Spendenzusagen gab es – sie haben aber nicht die erhoffte Dimension erreicht. Vielleicht wäre die Zeit reif für einen neuen Anlauf.
Oberbürgermeister Uwe Conradt und die Landeshauptstadt sind sich dem Vernehmen nach mit der Landesregierung darüber einig, dass das Saarland auch eine Eventhalle braucht für große Pop / Rock Events mit bis zu 10.000 Besucherinnen und Besuchern. Stimmen Sie der Auffassung von Experten zu, dass sich Eventhalle und Musikzentrum/HfM mit Blick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen im Veranstaltungsbereich ergänzen und was bedeuten diese beiden Projekte für den Standort Saarland?
Tatsache ist, wir dürfen nicht hinnehmen, dass uns alljährlich 100 000 Veranstaltungsbesucher verloren gehen. Ich bin deshalb für einen Neubau der Saarlandhalle. Die Entscheidung über die Umsetzung wird auch nicht erst in ein paar Jahren fallen. Ein Standortgutachten liegt bereits vor. Die notwendigen weiteren Untersuchungen auch mit Blick auf die Finanzierbarkeit sind angestoßen. Das Endergebnis wird die belastbaren Grundlagen liefern. Ich lege mich aber klar fest, dass diese neue Halle nach Saarbrücken kommen muss. Ob an der jetzigen Stelle oder an einem anderen Ort, das wird sich dann nach den weiteren Gutachten zeigen. Sie haben Recht, ein solcher Raum kann nicht gleichzeitig für klassisches Orchester taugen, weil die Anforderungen ganz andere sind. Das Problem ist auch: Es muss beides finanziert werden. Und dazu müssen erst einmal die Fakten ermittelt werden.
Was halten Sie von dem Becolin-Gelände an der Mainzer Straße im Osten der Stadt Saarbrücken als Standort für den Neubau von Konzerthaus und Hochschule für Musik? Welche Impulse sehen Sie insoweit für die Stadtentwicklung?
Ich finde das Umfeld dort großartig und es wird ja von der Stadt Saarbrücken schon entwickelt. Da gibt es auch bereits gute Ideen und Planungen. Wir müssen deshalb miteinander klären, ob das Gelände dafür zur Verfügung steht und geeignet ist.
In Saarbrücken ist seit Jahren ein großer Mangel an Studierendenwohnungen zu beklagen. Bietet es sich nicht an, diesen Mangel am Standort des Kombi-Projekts zu beheben? Welche Vorteile sähen Sie darin?
Wir sollten jetzt nicht den Fehler machen, zu viele Fragestellungen miteinander zu vermischen. Wenn man zu viel in ein Projekt hineinpackt, gelingt es am Ende nicht mehr.
Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang Überlegungen der Saarbahn GmbH, den Nahverkehr aus dem bisherigen Schienennetz an das Einkaufszentrum gegenüber dem Halberg heranzuführen und von dort aus eine Schwebebahn bist zur Universität zu bauen? Immerhin könnten die Studierenden dann von ihren Wohnungen auf dem Becolin-Gelände aus fußläufig eine Haltestelle der Saarbahn zur Uni erreichen.
Bekannt ist: Stadt und Land wollen eine Weiterführung der Saarbahn Richtung Saarbasar. Und eine Anbindung der Uni stand immer auf dem Wunschzettel. Ich möchte diese Fragestellungen aber nicht zwingend mit der Frage eines Musikzentrums verknüpfen, zumal der Osthafen ja bereits hervorragend angebunden ist.
Man sagt immer wieder, dass die Kultur ein wichtiger Standortfaktor sei. Wie beurteilen Sie insoweit das Saarländische Staatstheater und die Museen der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz?
Kultur ist nicht nur ein Standortfaktor, sondern ein Markenkern. Die Sammlungen der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz sind ein Schatz und nur der bewegten Geschichte des Saarlandes nach den Weltkriegen zu verdanken. Das Staatstheater als Drei-Sparten-Haus ist aus unserem Kulturleben nicht wegzudenken. Beide Einrichtungen verbindet höchster Anspruch und breite Akzeptanz. Wir dürfen auch nie vergessen, dass diese Einrichtungen vermutlich nicht denkbar wären, wenn Saarbrücken nicht Landeshauptstadt eines selbstständigen Bundeslandes wäre.
Wie beurteilen Sie die neuen Aktivitäten und Pläne des Weltkulturerbes Völklinger Hütte und deren Zusammenarbeit mit den Forschungseinrichtungen der Universität des Saarlandes im „Future Lab“?
Kooperationen sind grundsätzlich wertvoll und bereichernd – die Zusammenarbeit zwischen Kultur und Wissenschaft finde ich besonders spannend und da gibt es meiner Meinung nach auch großes Potential.
Welchen Stellenwert hat für Sie die Freie Kulturszene ?
Freie Szene macht ein Land erst urban. Ich bin stolz auf die Vielfalt unserer freien Szene – und zwar nicht nur in der Landeshauptstadt. Wo findet man auf so engem Raum eine solche Breite an Genres in der Freien Szene jenseits der großen Zentren? Ich finde es auch großartig, dass wir in unserem kleinen Bundesland ein Labor dafür sind, wie Freie Szene und etablierte Einrichtungen gewinnbringend zusammenarbeiten können. Bei uns gibt es keine geschlossenen Räume. Mir war es auch ganz wichtig, dass in der Krise Freie Kunst und Kultur nicht hinten runterfallen. Es hat leider zu lange gedauert, bis die geeigneten Förderinstrumente gefunden wurden.
Was liegt Ihnen kulturell besonders am Herzen und was möchten Sie persönlich nicht missen?
Die gesamte Kulturszene leidet enorm unter den Folgen der Corona-Pandemie. Dabei stehen nicht nur persönliche Existenzen der Kulturschaffenden auf dem Spiel, die Kultur hat eine überragende Bedeutung für die gesamte Gesellschaft. Deshalb liegt es mir sehr am Herzen, die Kultur in ihrer ganzen Vielfalt und Breite als Gemeinschaftserlebnis und als Brückenbauerin zu bewahren. Ich persönlich möchte die kulturelle Vielfalt im Saarland auf keinen Fall missen!
Das Gespräch führte Kurt Bohr für das OPUS Kulturmagazin Nr. 89 (Jan./Feb. 2022)