Foto: Wie wir Bilder lesen. Porträt eines Pärchens mit traditionell afrikanischem Kleid. © Chantal Maquet
Die Luxemburger Künstlerin Chantal Maquet beschäftigt sich schon jahrelang mit der Wahrnehmung des Anderen. 2013 hat sie im Rahmen des ArtMix Austauschprojekts im Saarbrücker Kulturzentrum am Eurobahnhof die Porträtserie Look at Me! gemalt. Wie Berührungspunkte im Dialog zwischen Maler und Modell wirken die Gemälde, die die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Gegenübers auslotet. Auf die Spur des Anderen und seinen kultur- und milieuspezifischen Deutungsmuster begibt sich die Künstlerin auch in ihren Gruppenporträts. Fotos aus dem 20. Jahrhundert dienen als Vorlage für ihre Investigationen zu den Klischees und Rollenzuschreibungen, die mittels starker formaler Vereinfachung und entfremdender Farbgebung evident gemacht werden.
In ihrer aktuellen Ausstellung Dat huet jo neischt mat mer ze dinn – Das hat ja nichts mit mir zu tun – erweitert die Künstlerin ihrer Untersuchungen um die geschichtliche Dimension des Kolonialismus. Im größten Raum der Galerie Nei Liicht – die frühere Villa des ehemaligen Eisenhütten-Direktors des Arbed Industrie-Imperiums – betreten Ausstellungsbesucherinnen einen Raum mit einem Panoramabild aus sieben Tafeln, die wie eine oktogonale Hütte wirkt, und finden sich plötzlich auf der Kreuzung eines Dorfes im afrikanischen Busch. In diesem exotischen Environment erzählt Maquet auf sieben Tafeln die Geschichte von Müttern mit Kindern und Tieren in Alltagsszenen. Auf dem vorletzten Bild sieht man ein weißes Kleinkind in Windeln, das von afrikanischen Kindern umringt wird. Die Betrachter stehen wie weiße Eindringlinge mitten in dem Panorama, die Bildfiguren starren sie an – der sogenannte white gaze wird in einen black gaze verkehrt. Aus dem Off läuft eine Soundinstallation, die Ausschnitte von Interviews der Künstlerin enthalten mit Erwachsenen, die Rassismus in Luxembourg erlebt haben oder Zeugen von Rassismus waren. Somit wird das Thema Kolonialismus in die Gegenwart geholt.
Die Vorlagen der Bilder dieser Ausstellung, die uns so fordernd gegenüberstehen, stammen von Filmdokumenten, die die Großmutter der Künstlerin als Begleitung ihres Gatten, der als Ingenieur für Belgien arbeitete, in den 50er Jahren in der belgischen Kolonie Kongo gedreht hat. Es sind Amateurfilme, die in einer sehr direkten und persönlichen Art und Weise die Begegnung der Weißen Gesellschaft mit dem Alltag in der Kolonie schildert. Wie bereits in früheren Arbeiten der Künstlerin wird das Private hier durchaus auf eine politische Ebene gehoben, bezieht die Künstlerin in ihrer Begegnung mit der kollektiven Vergangenheit und der historischen Schuld Stellung und legt einen Grundstein für eine neue Beziehungsqualität in der interkulturellen Begegnung mit dem Anderen.
6.3. bis 11.4.
Mittwoch bis Sonntag 15 bis 19 Uhr
Stefanie Zutter
Erratum: Im OPUS Kulturmagazin Nr. 84 (März/April 2020) wurde versehentlich ein anderer Text abgedruckt. Die Redaktion entschuldigt sich für das Versehen.