Bild: Michel Polfer © MNAHA, Foto: Eric Chenal
Von Eva-Maria Reuther
Eigentlich war alles wie immer an diesem Dezembermorgen. Der Weg über die historische Wendeltreppe führte hinauf in Michel Polfers Büro. Auf der Glasplatte des Schreibtisches lagen ein paar Unterlagen. Auf dem Boden daneben stand die Aktentasche des Hausherrn. Und doch war alles anders. Ende des Jahres 2024 ist Michel Polfer nach 19 Jahren als Direktor des Luxemburger Musée national dʼarchéologie, dʼhistoire et dʼart – kurz MNAHA – in den Ruhestand gegangen. Wie er sich da fühlt? „Ich bin entspannt“, lacht der 60-Jährige. Dazu hat er allen Grund. Denn der habilitierte Archäologe verlässt das Haus nach einer erfolgreichen Amtszeit, in der große Veränderungen anstanden, bedeutende Projekte realisiert und vieles auf den Weg gebracht und erreicht wurde. Wer mit Polfer zu tun hatte, etwa bei Presseterminen, begegnete stets einem scharfsinnigen, kunstaffinen Gesprächspartner, einem Kulturbegeisterten mit Humor und entschiedener Klarheit. Selbstbestimmt hat er selbstredend auch das Ende seiner Amtszeit gewählt. „Du gehst, wenn du es für den richtigen Zeitpunkt hältst, habe ich mir immer gesagt“, erzählt er. Der war jetzt gekommen. Große Umbauarbeiten stünden an, deren Beginn sich verzögere. Nach noch ein paar weiteren Amtsjahren der nachfolgenden Museumsleitung eine Baustelle zu hinterlassen, auf die sie konzeptionell keinen Einfluss mehr habe, das sei nicht fair. Jetzt hinterlasse er ein bestelltes Haus mit einem hochengagierten Team. „Wir sind gut aufgestellt und können uns gut mit anderen Museen messen“, sagt Polfer mit durchhörbarem Stolz. Der ist berechtigt, wenn man überblickt, wie sich das Museum entwickelt hat, seit sich der in Esch/Alzette geborene Luxemburger vor fast 20 Jahren statt für Straßburg für die großherzogliche Hauptstadt entschied. Was er damals als Nationalmuseum für Geschichte und Kunst übernahm, hat sich unter dem Dach des stattlichen Haupthauses am Fischmarkt zu einem Verbund entwickelt, zu dem auch das 2012 eröffnete neue Festungsmuseum und die Römervilla in Echternach sowie zwei Forschungszentren gehören. Zudem ist das 2021 gegründete Luxemburger Kunstarchiv beim Haus angesiedelt. Erweitert wurde das Museum um die Abteilung „Zeitgeschichte“, die sich dem Zeitraum seit dem frühen 19. Jahrhundert bis heute erhellend widmet. Erst in jüngster Zeit sorgte dort eine Ausstellung zur Beteiligung von Luxemburgern während der belgischen Kolonialherrschaft und eine andere zur berühmten „Nelkenrevolution“ für viel Beachtung und lebhafte Diskussionen. Im Bereich der „Schönen Künste“ erarbeitete man sich ein eigenes internationales Profil.
Mit Polfer hatte das Museum einen Leiter, der auf der Höhe der Zeit innovativ Entwicklungen vorantrieb, ohne den Blick für das Machbare zu verlieren. Die Museumslandschaft habe sich in all den Jahren enorm verändert, sagt der scheidende Direktor. Ein erheblicher Schub verdankt sich auch im MNAHA der Digitalisierung. Inzwischen kann man sich auch dort erstmal per 3D-Rundgang am PC informieren oder seinen Besuch planen. Die 10.000 Objekte der Sammlung wurden digitalisiert und ein Sammlungsarchiv angelegt. Unter Polfers Direktion wurde zudem ein Zentraldepot eingerichtet, in das die Sammlungsstücke aus rund 15 Standorten zusammengeführt wurden. Im Laufe der Jahre habe sich auch das internationale Publikum verändert, das im MNAHA aus je einem Drittel Schulklassen, Touristen und einheimischem Publikum besteht, erklärt Polfer. Immer mehr greife es auf Vermittlungsangebote zu. Vermittlung sei das „A und O“. Und das leidige Geld? Nie sei ein Projekt in all den Jahren an der Finanzierung gescheitert, versichert der Musemschef. Mit seiner vielfältigen Sammlung ist das MNAHA das führende Museum in Luxemburg. Hier wird die Geschichte des Landes verhandelt und Bewusstsein gefördert für Gegenwart und Vergangenheit und ihre Zusammenhänge. Politische Vereinnahmung habe es dabei in all den Jahren nie gegeben, berichtet Polfer. „Das ist in anderen Ländern durchaus anders“. Mahnend fährt er fort: „Man kann nur hoffen, dass sich die Museen diesen Freiraum erhalten“. Um die Zukunft des MNAHA ist seinem scheidenden Chef nicht bang. Die Besucherzahlen stiegen stetig. Das Publikum habe zunehmend das Bedürfnis nach Informationen und „real stuff“ statt „virtual reality“. „Wenn Museen es schaffen, zum gesellschaftlichen Diskurs beizutragen, ist ihre Zukunft gesichert“, dessen ist der Archäologe gewiss. Eine Erfolgsgeschichte ist Michel Polfers Amtszeit zweifellos. Jetzt wird es sicher etwas gemächlicher weitergehen, wenn er sich künftig seinen wissenschaftlichen Publikationen und seinem geliebten Hobby, dem Angeln, widmen kann.
mnaha.lu