
Jean Lurçat, Steilküste, 1938 © Foto Matthias Marx
Vom 3. bis zum 31.8. zeigt der Kunstverein Dillingen im Zentrum August Clüsserath eine Ausstellung, die in dieser Form einzigartig ist: Erstmalig sind sämtliche 83 Gouachen vereint zu sehen, die sich im Besitz der Paul-Ludwig-Stiftung Jean Lurçat befinden. Ergänzt um einige seltene Tuschen und Pastelle, ermöglicht die Schau einen intensiven Blick auf das auf Papier entstandene Werk des großen französischen Künstlers – ein bedeutendes Kapitel seines vielfältigen Schaffens. Die Werkschau beginnt mit Arbeiten von 1913 und endet mit einer Arbeit aus dem Jahr 1965.
Die Gouachen Lurçats bestechen durch ihre farbliche Leuchtkraft und eine Formensprache, die zwischen Figuration, Symbolik und freier Fantasie oszilliert. Immer wieder tauchen in ihnen fantastische Tierwesen auf, florale Formen, imaginäre Landschaften – ein ganz eigenes Bestiarium, das in seiner Poesie wie in seiner Rätselhaftigkeit fasziniert. Viele dieser Arbeiten stehen zudem im Kontext von Lurçats späterem Hauptwerk, der Tapisserie: Die klaren Konturen und die reduzierte Farbpalette der Gouachen begleiten den komplexen Werkprozess und sind zugleich autonome Kunstwerke von hoher malerischer Qualität.
Jean Lurçat (1892-1966) war nicht nur Maler, sondern Erneuerer der französischen Bildwirkerei. Ab den 1930er Jahren verhalf er der traditionellen Tapisserie in Aubusson zu neuem künstlerischen Rang, indem er sie von der bloßen Kopie der Malerei emanzipierte. Weltweit bekannte Wandteppiche wie der monumentale Zyklus „Le Chant du Monde“ – als modernes Gegenstück zur mittelalterlichen Apokalypse von Angers konzipiert – zeugen davon. Daneben schuf er Keramiken, Gemälde, Glasfenster, Illustrationen und Bühnenbilder.
Doch Lurçat war auch ein überzeugter Humanist und leidenschaftlicher Europäer. Schon früh setzte er sich für die deutsch-französische Verständigung ein und bekannte 1962 rückblickend: „Ich lernte Ihre Sprache – denn das ist bis heute der einfachste und kürzeste Weg, um Freundschaft und Verständnis zu erreichen.“ Auch Hermann Hesse, ein Freund aus jungen Künstlerjahren, charakterisierte Lurçats Ansatz treffend: „Diese Malerei bedeutet nicht eine Flucht vor dem Leben in die Kunst, sondern führt uns freundlich zu uns selbst zurück.“
Wer über die Dillinger Ausstellung hinaus das vielgestaltige Werk Lurçats entdecken möchte, sollte das Jean-Lurçat-Museum der Paul-Ludwig-Stiftung in Eppelborn besuchen. Neben weiteren Papierarbeiten bietet es mit einer umfangreichen Sammlung an Tapisserien, Keramiken und Gemälden einen hervorragenden Überblick über alle Facetten seines Schaffens. Die enge Verbindung von Dillingen und Eppelborn macht es möglich, Jean Lurçat als europäischen Künstler zwischen Malerei, Textilkunst und gesellschaftlichem Engagement umfassend zu erleben.
Die Ausstellung in Dillingen ist vom 3. bis zum 31.8. jeweils samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr sowie am Feiertag Mariä Himmelfahrt geöffnet. Der Eintritt ist frei. Kostenlose Parkmöglichkeiten befinden sich am Odilienplatz und dem Peter-Lamar-Platz.
red.
Kunstverein Dillingen e.V.
Zentrum August Clüsserath, Stummstraße 33 (2. Stock), 66763 Dillingen


