Still Life © Jean-Claude Carbonne
von Kurt Bohr
Dieser Tanzabend war fraglos ein Höhepunkt der diesjährigen Perspectives. Generalintendant Bodo Busse vom saarländischen Staatstheater und Festivalchefin Sylvie Hamard haben die erste offizielle Kooperation seit vielen Jahren bei vollem Haus mit zwei Arbeiten des renommierten Choreografen Angelin Preljocaj erfolgreich auf die Bühne gebracht. Das darf in Zukunft gern so weitergehen.
Den ersten Auftritt hatte die Truppe des berühmten Choreografen aus Frankreich, der auch selbst zugegen war, mit „Still Life“. Zwei Tänzerinnen und sehs Tänzer, in strengen dunklen Trikots betreten sie einzeln die in Schwarz getauchte leere Bühne und stellen sich in geometrischer Formation auf, kaum dass sie sich berühren.
Die Musik (Alva Nato, Ryuichi Sakamato), zu der sie dann tanzen, ist für das Publikum gewöhnungsbedürftig, geht es doch fast ausschließlich um Geräusche – John Cage lässt grüßen. Sie bewegen sich wie in Zeitlupe, mit fantastischen Körperbeherrschung und höchst präzise. Minimal Dance zu Minimal Music, konsequent.
Der Choreograf hat sich vom Vanitas-Motiv leiten lassen. Unser Leben ist endlich, all unser Streben ist eitel, wie schon Andreas Gryphius, der Barockdichter sagt. Die Protagonisten hantieren mit Totenköpfen, tickenden Weckern, unsere Zeit hienieden ist bemessen.
Bei diesem Tanz gibt es wenig Gemeinsamkeit und Einendes. Ab und an paarweise Begegnungen, die Liebe scheint kurz und vergänglich. Ganz überwiegend tanzen alle jeweils für sich alleine, solipsistisch, egozentriert. Preljocaj hält uns den Spiegel vor. Es ist ein kritischer Blick auf unsere Gesellschaft. Wir finden uns zwar zusammen, in Meetings, in Restaurants, aber wir konsultieren selbstvergessen unsere Smartphones, senden und empfangen Botschaften, die direkte Unterhaltung und Kommunikation bleibt häufig auf der Strecke, verliert an Bedeutung
Diese unsägliche Vereinsamung wird in diese Choreografie erschreckend deutlich auf den Punkt gebracht. Die nervige Geräuschmusik pointiert diese Botschaft eindrucksvoll.
Das Publikum würdigt die perfekte Leistung der Truppe mit lang anhaltenden Beifall.
Nach der Pause dann folgt „La Stravaganza“, die zweite Choreografie von Preljocaj, die mit zwölf Tänzerinnen und Tänzern des saarländischen Staatsballetts vor wenigen Wochen in Saarbrücken Premiere hatte. Neben elektroakustischen Klängen verschiedener Komponisten werden in die Tanzfans jetzt von der eleganten Barockmusik Antonio Vivaldi geradezu verwöhnt. Zwei Gruppen präsentieren sich in Konfrontation, eine in barock wirkenden Kostümen, die andere in losen Gewändern. Sie tanzen zunächst nacheinander in dynamischen Formationen, finden sich aber viel häufiger als bei dem ersten Stück in intimen Duetten. Vor einem rot schimmernden Bühnenbild geht es um Aufwallungen, um Emotionen pur. Auch die Truppe das Saarbrücker Ballettchefs Stijn Celis agiert bewegungssicher und in bestechender Form.
Der Tanzzauberer Angelin Preljocaj zeigt an diesem Abend sehr eindrucksvoll die enorme Spannweite seiner schöpferischen Gestaltungskraft.
Kurt Bohr