Trenchcoat statt Parteiuniform. Zwischen Anziehung und Verachtung. Hilde Bürckel, glänzend gespielt von Hannelore Bähr, versteht die Welt nicht mehr. © Thomas Brenner /Pfalztheater Kaiserslautern
Am Ende fühlt sie sich wie in Opfer. Ausgegrenzt vom Pfarrer, der ihr nicht mehr die Beichte abnehmen will. Ausgegrenzt von ihren Nachbarn, Bekannten, für die sie nicht mehr die Wirtshaustochter Hilde, sondern die Frau des 1944 verstorbenen Gauleiters Josef Bürckel ist, der man nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches in den Einkaufskorb spukt. Wie „damals die Juden“ fühlt sie sich nun, zu Anfang der 1950-er Jahre in Bürckels legendärem Jagdhaus „LassmichinRuh“ im Göllheimer Wald. Jetzt will man ihr sogar die großzügige Villa im Neustadt, am Ende selbst die Pension ihres Mannes streitig machen. Hilde Bürckel – eine Frau zwischen Realitätsverlust und Wahnsinn. Der tief in die Geschichte eingetauchte, in der Region als Kind aufgewachsene Autor Peter Roos zeichnet in seinem am Pfalztheater Kaiserslautern zur Uraufführung gebrachten Schauspiel „Bürckel! – Frau Gauleiter steht ihren Mann!“ ein bedrückendes Bild der Gattin des mächtigsten NS-Politikers zwischen Saarpfalz und Wien. In Susanne Schmelchers knapp zweistündiger Inszenierung bleiben Hilde Bürckel (Hannelore Bähr) nur noch wenige Momente tröstlicher Erinnerung an ihren oft sportlich im flotten Trenchcoat gekleideten Mann, der sich als Mann aus dem Volk inszenierte, dabei aber ein bohèmehaftes Leben zwischen der Pfalz, Wien und Berlin mit Cabriolet und Flugzeug führte. Verziehen hat sie ihm nie, dass er Affairen ohne Ende, mit seiner Maitresse in der Saarbrücker Feldmannstraße ein Liebesnest gemietet hatte, während sie allein zuhaus mit den beiden Söhnen saß. Die Deportation der Juden aus der Pfalz wie aus dem Saargebiet kommt ihr immer wieder über die Lippen, doch versucht sie, ihren Mann reinzuwaschen, habe er doch keinem persönlich auch nur ein Haar gekrümmt. Er habe ja nur vermeldet, dass der Gau Saarpfalz wie später die österreichische Ostmark „judenfrei“ gemacht worden seien, am Ende kam auch noch Lothringen hinzu.
Hannelore Bähr zeigt „Frau Gauleiter“ in Zeiten der frühen, das Gedankengebäude der Demokratie buchstabierenden Bundesrepublik, gefangen in ihrer nationalsozialistisch gefärbten Welt, verbittert die früheren Nadelstiche ihres „abhebenden“ Mannes es hinnehmend. Am Ende des Stückes bekommt sie nicht mal mit, dass die Haustechniker das Bühnenbild abräumen. Grandiose Leistung von Hannelore Bähr in Susanne Schmelzers Inszenierung von Peter Roos Geschichtsaufarbeitung. Die immer noch nicht auserzählt ist. Und am Ende als Geschichtsklitterung aufblitzt. Denn über Lautsprecher eingespielte Minderheitenhetze und Fake News eines Björn Höcke verweisen auf Bertolt Brechts Warnung in seinem „Arturo Ui“: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“
Burkhard Jellonnek
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