„Endstation Sehnsucht“ mit Verena Bukal als Blanche in einer fulminanten Inszenierung es neuen Schauspiel-Chefs Christian Mehler © Saarländisches Staatstheater, Martin Sigmund
Christoph Mehlers fulminanter erster Aufschlag
von Burkhard Jellonnek
Mit „Endstation Sehnsucht“ veranstaltet der neue Schauspiel-Chef ein Theaterfest
Kein Spielzeitstart-Start wie viele andere: Auf den ersten Aufschlag des frischgekürten Schauspiel-Chefs Christoph Mehler in der Nachfolge von Bettina Bruinier durfte man mehr als gespannt sein. Seine Bewerbungsinszenierungen hatte der 48-jährige, erfahrende Theatermann in Saarbrücken mit Millers „Hexenjagd“ und „Dantons Tod“ bereits abgegeben und mit seiner Wucht, seiner Spielfreude und Leidenschaft die jeweilige Theaterabende zu großen Erlebnissen gemacht.
Nun der seit 1951 um die Welt gegangene US-Klassiker „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams. Zweifellos ein Mehler-Stoff mit jeder Zeile der Textvorlage über den unaufhaltsamen Niedergang der kultivierten Blanche, die nach dem Verlust ihres Eigenheimes, ihrer Ehe mit einem homosexuellen Mann buchstäblich die Abgründe als Prostituierte in Bars erlebt hat und nun bei ihrer Schwester Stella Wärme und Zuflucht sucht. Mehlers vielfältiges Bildertheater lässt die alkoholverfallene Blanche in der heruntergekommenen, mit Plastikstühlen unwirtlich ausgestatteten Zweiraumwohnung Stellas nicht mehr zur Ruhe kommen. Stella selbst lebt in einer toxischen Beziehung zu dem polnischen Macho Stanley, den Fabian Gröver als grobschlächtiges Großmaul gibt, der all seine Kraft investiert, die in ihren ins Hier und Jetzt geretteten Luxusklamotten verloren wirkende Blanche auf dem harten Boden der Realität aufklatschen zu lassen. Was auch brachial gelingt, indem er den in Blanche verliebten Mitch (Gregor Trakis) gnadenlos mit deren desaströsen Liebesabenteuern und ihrer Entlassung aus dem Schuldienst konfrontiert, weil sie sich mit einem 17-jährigen Schüler eingelassen hatte.
Großes Theater, wie Mehler uns die Blanche von Verena Bukal in ihrer Verletzlichkeit vor Augen führt. Ihre Sehnsucht nach einer rettenden Beziehung, auf Nähe, auf Zauber werden niedergemacht von Menschen, die sich am Versagen anderer berauschen und alle Hoffnungen auf ein besseres Leben zunichte machen. Auch Stella, einfühlend gespielt von Christiane Motter, kommt aus ihrer verhängnisvollen Beziehung zu Stanley nicht heraus und kann den Absturz Blanches in die Klinik nicht verhindern. Mehler verstärkt das Bühnengeschehen auf der großen Staatstheater-Bühne durch gut getimte Auftritte des BürgerInnen-Ensembles, dass durch chorisches Sprechen und Massenchoreographien die Bilderwelten verstärkt. Ein grandioser Auftakt in die neue Spielzeit, ein fulminanter erster Aufschlag des neuen Schauspiel-Chefs, der neugierig auf seine nächsten Inszenierungen macht.