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Rock-wärts in die Fünfziger

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Foto: Szene aus „Blue Jeans“ mit (v.l.) Bianca Spiegel, Martin Hiller, Stephanie Theiß // Copyright: Martin Kaufhold


von Eva-Maria Reuther

Wer sicher gehen wollte, dass sie knalleng saß, legte sich mit ihr in die Badewanne und ließ sie anschließend am Körper trocknen. Funktionierte todsicher. Die Rede ist von der guten alten Blue Jeans, der Arbeiterhose aus Baumwolle, die ursprünglich Levi-Strauss für die kalifornischen Goldgräber fertigte (damals noch nicht in Indigo Blau). Abschätzig als Nietenhosen eingedeutscht trat sie gemeinsam mit den amerikanischen Siegertruppen nach dem ersten Weltkrieg hierzulande ihren eigenen Siegeszug an. Inzwischen haben es die textilen „Underdogs“ bekanntlich bis in die feinsten Designer-Läden geschafft. Auch im Theater Trier sind an diesem Abend jede Menge besagter Beinkleider (nicht alle „blue“) mit ihren mehr oder weniger etablierten Trägern unterwegs. Das Outfit ist passend. Das Publikum spielt sozusagen mit, wenn im großen Haus Jürg Burths und Ulf Dietrichs dramatischer Zwitter „ Blue Jeans“ Premiere feiert. Als Revue wurde das Stück 1994 im Berliner Theater des Westens uraufgeführt. Als „Schauspiel mit Musik“ wird die Inszenierung im Trierer Programmheft geführt. Zum Glück bleibt die Aufführung dann doch in erster Linie eine temporeiche, flotte musikalische Nummernrevue aus den Fünfzigern mit Spieleinlagen, die den vollen Saal rockt und das Publikum quasi von den Sitzen reißt. In der schwungvollen Choreografie von Luiza Braz Batista und Paul Hess wird Dietmar Tessmanns Bühne, bei der das engagierte Orchester wie im Varieté auf einem Podest hinten an der Bühnenwand sitzt, zur rasanten Tanzfläche. Angesichts der Oldies am laufenden Band von „Gehn Sie mit der Konjunktur“ über „Capri Fischer“ bis zu Elvis „Can´t help falling in love with you“ dürfte sich manch einer der reiferen Semester im Publikum in seine Jugendjahre versetzt gefühlt haben (Musikalische Leitung und Arrangements Nicias Ramdohr). Eigentlich hätte das schon genügt, um einfach einen unterhaltsamen Abend zu erleben. Doch das Stück, das in die Jahre des Wirtschaftswunders führt hat dramatische Ambitionen. Der Plot ist übersichtlich. Die Tochter des neureichen und altbraunen Kaufhausbesitzers Eberhard Neumann und seiner vermögenden Gattin Hilde (altes Geld) soll Frank, den angehenden Kaufmann und biederen Sohn des städtischen Baurats Rudolf Karsuntke und seiner Frau Hannelore, einem Flüchtlingspaar aus dem Osten, zwecks Umsatzsteigerung und Verkürzung der Dienstwege heiraten. Kaum verlobt, verliebt sich Lisa in einen jungen Jeansträger mit Motorrad namens Tom, der seinen eigenen „American Dream“ von der grenzenlosen Freiheit träumt. Mit Jeans und Rock`n Roll probt die brave Tochter aus gutem Haus den Aufstand. Derweil kommen sich Frank und das Hausmädchen näher. Tatsächlich taugt die Geschichte zum vergnüglichen Boulevard mit sozialkritischem durchaus aktuellem Bodensatz. Als da sind: biedermännliche Doppelmoral, patriarchalische Ordnung, Konsumrausch, rechtslastiger bürgerlicher Mief und Korruption. Doch statt elegant und geistreich mit den passenden Klischees zu spielen, strapaziert Regisseur Ulf Dietrich sie über alle Maßen. Zudem verzichtet er auf eine nuancenreiche Personenführung, so dass dem Stück jeglicher Feinschliff fehlt. Stattdessen bietet es Klamauk satt. Zumindest die Ausstattung trifft den Ton. Der von der Decke abgeseilte Salon der Neumanns mit Sitzgruppe, Nierentisch und Gummibaum sieht aus wie eine Leihgabe der 50iger Jahre Ausstellung „Die Frau und ihre Wohnung“. Die Kostüme von Monika Seidl wirken wie aus einer zeitgenössischen Ausgabe der Frauenzeitschrift „Constanze“. Ihr scheint auch das Knigge studierende Hausmädchen Fräulein Schlösser entstiegen zu sein. (Bianca Spiegel) Einen respektablen Kaufhaus-und Familienpatriarchen Neumann, mit Hang zu außerehelichen, jugendlich weiblichen Kurven gibt immerhin Michael Hiller. Ein geradezu stupendes Talent für Komik beweist zudem Stephanie Theiß als Hilde Neumann in ihrer Solo-Gesangsnummer. Vollkommen aufgesetzt agieren dagegen Barbara Ullmann und Klaus- Michael Nix als Ehepaar Karsuntke. Als potentieller Schwiegersohn wechselt Robin Jentys zwischen angestrengter Überdrehtheit und bemühter Unbedarftheit. Erst beim Federballspielen schafft er das schwierige Paradox der Schauspielkunst, sich einer Rolle hinzugeben, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Schmachtend wie Elvis singen und ebenso lasziv mit den Hüften kreisen vermag Dimetrio-Giovanni Rupp als Tom. Nicht so gut singen kann dagegen Anna Pircher als Lisa, dafür wirkt sie ausgesprochen frisch. Grob krachledern wird es beim damals beliebten Italienurlaub auf dem Campingplatz, peinlich bei Neumann und Karsuntkes Auftritt als mafioses, Pistolen ziehendes Duo aus Politik und Wirtschaft. Und die beiden Damen vom horizontalen Gewerbe, die sich den beiden Anzugträgern mit Aktentasche nähern, sehen aus wie zwei Hausfrauen, die sich bei Beate Uhse zur Belebung des häuslichen Schlafzimmers eingekleidet haben. Kitsch vom Feinsten bietet zum Ende die Heiratsszene. Gerade keinen Kitsch zu inszenieren hatte Dietrich in einem Interview versprochen. Hatte er zeitweise wohl wieder vergessen.

Weitere Termine:
Sa 26.01.2019 19:30 Uhr
Fr 01.02.2019 19:30 Uhr
So 10.02.2019 16:00 Uhr
So 17.02.2019 18:00 Uhr
Mi 27.02.2019 19:30 Uhr
Sa, 27.04.2019 19:30 Uhr
Di, 21.05.2019 19:30 Uhr

Filed Under: Kritik

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