„Die Fantastischen Vier“ als einer der Top-Acts des Rocco del Schlacko 2019. © Foto: Burkhard Jellonnek
„An Tagen wie diesen“… hat er wieder alles richtig gemacht: Thilo Ziegler, seit 21 Jahren Festivalmacher des inzwischen legendären „Rocco del Schlacko“ auf den „Sauwasen“ in Köllerbach-Püttlingen. Was damals als Abitur-Gag einer Pennäler-Klasse mit Rockbands aus der Umgebung begann, ist heute ein millionenschweres Spektakel für die Musikfans längst über den 250-km-Einzugsbereich hinaus. Und auch diesmal hat das Püttlinger Eigengewächs sein Näschen nicht verlassen, um die stetig wachsende Fan-Gemeinde drei Tage und drei Nächte bei Laune zu halten. Raffinierter Schachzug von Thilo Ziegler, den Headliner „Die Fantastischen Vier“ eben nicht als Schlussact auf der großen Bühne zu bringen, sondern quasi als Vorgruppe zum Scooter-Finale aufspielen zu lassen. Denn die Musiker um Smudo und Thomas D. sind bei ihrem dritten Auftritt auf der Hauptbühne doch nicht mehr so überraschend und taufrisch, als dass sie das Publikum so in Wallung bringen wie Scooter mit seinen eingängigen Hits. Zwar kann man mit Fug und Recht die Sinnfreiheit fast sämtlicher Songs attestieren, doch zwingen einen die Techno-Beats des strohblonden H. P. Baxxter zum Abtanzen. Also der ideale Rausschmeißer nach einen langen Donnerstagnacht, vor dessen „Hyper Hyper“- und „Bora! Bora!“-Attacken sich kein Tanzbein in Sicherheit bringen konnte. Und wer so maßlos plagiiert wie Scooter, aus dem zeitgeistgeschwängerten „Bots“-Hit „Sieben Fässer Wein“ jeden Anflug von Gefühligkeit und aller „Weißt du noch“ –Anklänge entkleidet, um ihn heutig erklingen zu lassen, der macht halt auch vor „Lang ist es her“-Schlagern wie „Puppet on a string“ keinen Halt. Da dürfen auch leichtbekleidete Mädels, Nebelmaschinen und explodierende Raketen nicht fehlen. Aber der Erfolg gibt ihm recht, noch am Tag danach reden alle nur von Baxxter, dem quirligen Frontmann von Scooter und seiner gelungenen Show.
Der zweite große Tag stand, nach heftigen Gewitter-Kapriolen am späten Nachmittag, ganz in Erwartung der „Toten Hosen“. Obwohl auch sie schon ewig lang im Geschäft, erstmals beim Rocco, nach gefühlten vierzig Jahren, wie der unermüdliche Campino, gleich zu Beginn des über zweistündigen Auftritts der gläubigen Festivalgemeinde verriet. Denn erstmals konnte man spüren und sehen, was 26.000 zumeist aus voller Brust mitsingende ZuschauerInnen bewirken. Die Hosen waren mitreißend, absoluter Programmhöhepunkt, ein Erlebnis! Und das bei eingangs strömendem Regen, gegen den Campino und Co mit ihrer Stimmung erfolgreich angesungen haben, so dass Petrus für die restlichen Stunden ein Einsehen hatte. Schlag auf Schlag ging es durch über dreißig Titel, ganz neue wie „Über den Wolken“ oder „Wannsee“, Unbekannteres neben den greatest Hosen-Hits und natürlich durfte „An Tagen wie diesen!“ nicht fehlen, um den Abend auf den Wasen „saurund“ zu machen. Und Campino, der so stilsichere und politisch kämpferische Hosen-Frontmann gab bei „Eiskalter Bommerlunder“ sogar zu, seine Fans seit Jahren hinters Licht geführt zu haben. Denn eiskalt ist rausgeschmissenes Geld, pralle Wirkung entfalte das frühere Szene-Getränk nur lauwarm.
Und natürlich, im Zugaben-Teil, blitzte Campinos Fußball-Leidenschaft für Fortuna Düsseldorf und mehr noch die Insel wieder auf: „You‘ll never walk alone!“ Und bei „Far Away“, Uralt-Song von Slade, machte Campino noch einmal deutlich, woher er kommt. Grandioses Zitat an einem unvergesslichen Abend. Das dachte wohl auch Campino, als er am Ende preisgab, dass das Rocco tatsächlich so toll sei wie sein inzwischen vorauseilender Ruf. Und stellte ein Wiedersehen nicht erst in vierzig Jahren in Aussicht. Höchstens zwanzig Jahre wolle man diesmal auf sich warten lassen. Nein solange wird sich Thilo Ziegler diesmal nicht Zeit lassen. Die Nase im Wind hat er schließlich „an Tagen wie diesen!“
Burkhard Jellonnek