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Preview: Warum wir auch im Digitalzeitalter über humanistische Bildung reden sollten

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Von Wolfgang Schmale

Es liegt auf der Hand: Bei den Griechen, auf die ein Gutteil der Grundlegungen Europas zurückgeht, war Bildung etwas anderes als später bei den Römern; im karolingischen Europa war Bildung bereits wieder etwas anderes, da eng mit dem Christentum verwoben; in Renaissance und Aufklärung säkularisierte und rationalisierte sich das Bildungsverständnis und begründete die nachfolgende Moderne, die in unserer Gegenwart, die als Digitalzeitalter charakterisiert wird, in eben diesem aufzugehen scheint.

Bildung ist ein schillernder Begriff. Das kommt daher, dass sich Elemente eines sich hartnäckig haltenden Bildungskanons im Widerstreit mit den Forderungen nach Paradigmenwechseln in der Bildung befinden. Die Diskussionen der 1960er und 1970er Jahre darüber, ob Latein und Griechisch zwingend im gymnasialen Lehrplan bzw. in der Sekundarstufe II vorgesehen sein müssen, um überhaupt von schulischer Bildung sprechen zu können, mögen verebbt sein, doch die Frage, welche Inhalte Bildung an den zahlreichen Bildungsinstitutionen vom Kindergarten bis zur Universität, Erwachsenenbildung und Volkshochschule zeitgemäß ausgestalten, birgt immer Konfliktstoff in sich.

Die seinerzeit mitunter scharfe Debatte um die Eventualität eines Abiturs ohne Latinum – Griechisch stand diesbezüglich schon auf verlorenem Posten – markierte eine Zeitenwende. Latein (und Griechisch) stellten im Grunde nur eine Metapher für ein historistisches und elitäres Bildungsverständnis dar, dessen Defizite weiter hinter der Bezeichnung „humanistische Bildung“ versteckt wurden. Das ging aber nicht mehr so einfach, nicht zuletzt dank der 1968er Bewegung, die Defizite in Bezug auf die damalige Gegenwart wurden bloßgelegt. Stichworte waren Bildungsnotstand, Demokratisierung der Bildung, Modernisierung der Bildung, was ja nichts anderes heißt, als mit der Zeit und ihren Anforderungen mitzugehen und Bildungsinhalte, Curricula und Institutionen stärker an den Bedürfnissen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Kultur zu orientieren.

Damit verbunden war das Eingeständnis, dass Bildung etwas Relationales ist: Es ist kein zeitübergreifend konstantes Phänomen, sondern immer von der jeweiligen Zeit, sprich Epoche, abhängig. Dass das so ist, hindert nicht, wie es die historische Rückschau bis in die Antike belegt, dass bestimmte Bildungsinhalte sehr lange und sinnvollerweise tradiert werden können. Allerdings haben sich nicht nur in Europa historische Entwicklungen in der Moderne, das heißt, seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, kontinuierlich beschleunigt. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Beschleunigung, die von den jeweiligen ZeitgenossInnen immer bewusst wahrgenommen und reflektiert wurde, erleben wir mit dem stürmischen Einbruch der sogenannten Künstlichen Intelligenz (KI) in unsere Lebenswelt.

Von KI wird in den Wissenschaften seit den 1950er Jahren gesprochen, KI ist alles andere als neu. Doch als am 30. November 2022 ChatGPT 3.5 zur kostenlosen Nutzung für die Weltöffentlichkeit freigegeben wurde, wurde dies als Revolution empfunden, da, sozusagen mit einem Paukenschlag, KI für jeden Menschen plötzlich nutzbar war. Seitdem gibt es um speziell diese Ausprägung von KI einen Riesenhype, aber in Wirklichkeit zieht KI in sämtliche Lebensbereiche ein. Hält man sich an die wissenschaftliche Kategorie KI, geschieht dies jedoch seit mehr als 70 Jahren und die Konsequenzen daraus sind seit Jahrzehnten zu spüren. Der gesellschaftlichen Sensorik ist das nicht entgangen, wie man an der Bezeichnung Digitalzeitalter oder Digitales Zeitalter erkennen kann, die sich schon vor der Jahrtausendwende anstelle von „Computerzeitalter“ eingebürgert hat.

Die Frage, was Bildung im Digitalzeitalter ausmachen soll und muss, stellt sich folglich schon länger, KI à la ChatGPT & Co. macht jedoch die Dringlichkeit der Frage offensichtlich. Eine erste Antwort ist recht leicht zu geben: Niemand kommt darum herum, zu lernen, wie die heute gängigen digitalen Anwendungen zu handhaben sind, wo ihre Vor- und Nachteile liegen, welche Gefahren (des Betrugs, der Manipulation usw.) damit verbunden sind. Alle müssen ein Minimum an Kriterien und Maßstäben lernen, um allein die Anwendung im Griff zu haben. 

Da wir unsere Lebenswelt immer mehr mithilfe digitaler Anwendungen gestalten und wahrnehmen, sollten wir außerdem wissen, wie Algorithmen arbeiten, welche mathematischen Modelle verwendet werden, was bei der eigentlichen KI noch dazu kommt, warum diese eine Black Box ist, etc. Das ist im Übrigen eigentlich gar kein anderer Gedanke als früher in Bezug auf Latein (und Griechisch) und humanistische Bildung: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war der Bezug auf die Antike für die Wahrnehmung und Deutung der (europäischen) Lebenswelt und Kultur zentral, aufgrund einer niemals unterbrochenen Rezeption dieser Antike und mehrerer Renaissancen, quasi in jedem Jahrhundert seit Gründung der ersten Universitäten in Italien im späten 11. Jahrhundert. Vor allem die lateinische Sprache war der Türöffner hier hinein gewesen, was ihre starke Präsenz in den Curricula der Sekundarstufe II erklärte.

Das Verständnis von Bildung als im Kern humanistische Bildung hat sich noch lange gehalten. Jedenfalls solange sich keine andere Ausrichtung von Bildung längs einer gesellschaftlich konsensfähigen Orientierungsmarke anbot. Das geschieht heute nun mit dem sogenannten Digitalen Humanismus als erhoffter Orientierungsmarke. Das Konzept fordert, dass alle digitalen Techniken, Anwendungen und Apparate wie Roboter auf das Wohl des Menschen hin ausgerichtet sein sollen – was bisher nicht der Fall ist. Kommerzielle Interessen, die umso besser durchsetzbar erscheinen, je weniger die angepriesene Anwendung dem Menschen zuträglich ist, sowie Spielereien, die niemand braucht, herrschen vor, vergeuden Energie zu Lasten der Umwelt und des Klimas, schaffen Monopole. Anderes ist von vorneherein auf die Begehung von Straftaten hin konzipiert. Wir sind Augenzeugen, wie massiv digitale Techniken und KI den Krieg verändern. Wieder anderes, wie die neue Generation von Chat-Avataren auf der Grundlage von KI, steht in Bezug auf die Technikfolgenabschätzung noch ganz am Anfang, beginnt aber schon, reale Menschen als Beziehungs- und Vertrauensfiguren abzulösen. Fakten sind geschaffen, bevor überhaupt verstanden wurde, was da vor sich geht, nämlich die Reduktion der direkten Beziehungen zwischen Menschen und deren Ersatz durch Apps, digitale Chats usf.

Die Niederschwelligkeit jeglicher digitaler Anwendung macht sie für wörtlich jeden Menschen zugänglich und einsetzbar. Wenn dieser „Jedermann“ nicht über gut ausgeformte kritische Kompetenzen aufgrund eines entsprechenden Bildungsangebots verfügt, überwiegen schnell die Nachteile die Vorteile. Menschen werden zu NutzerInnen oder AnwenderInnen reduziert, ihre Psyche wird manipuliert, Digitalsucht kann sich entwickeln, die gesellschaftlichen Folgekosten sind hoch. Digitalität setzt im Grunde ein in der Selbstfürsorge autonomes Individuum voraus, das es nicht gibt.

Im Jahr 2026 dürfen wir uns daher nichts vormachen: Unsere Lebenswelt und Kultur hat sich unter der Einwirkung einer umfassenden Digitalität bereits grundlegend geändert, dieser Prozess schreitet schnell voran. Momentan mag es noch nicht zu spät sein, Digitalen Humanismus als Orientierungsmarke der allgemeinen Bildung zu implementieren. Wer im Zuge des Bildungsangebots vom Kindergarten bis zum lebenslangen Lernen Digitalen Humanismus gelernt hat, wird zum Wohltäter seiner/ihrer selbst und der Gesellschaft werden (können). Das war ja auch früher die Erwartung an die humanistisch Gebildeten gewesen, eine oft enttäuschte Erwartung. Digitaler Humanismus als Orientierungsmarke der Bildung allein wird es nicht richten, aber ohne diesen Paradigmenwechsel wird es erst recht nicht gehen.

Filed Under: Allgemein, Kulturleben

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