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„Krieg und Theater“ – Armin Petrasʼ Saarbrücker Poetikvorlesungen

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Armin Petras während der zweiten Vorlesung seiner Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik im Mittelfoyer des Saarländischen Staatstheaters © Foto: Johannes Birgfeld

Von Johann Emilian Horras

Es sind die großen historischen Themen und Stoffe, die den Autor und Regisseur Armin Petras interessieren: die Nibelungen, Antigone, Napoleon. An diesen Figuren und Stoffen arbeitet sich Petras in seinen Texten und Inszenierungen ab. Der gewaltige Titel „Krieg und Theater“, unter den der Regisseur seine im Mai und Juni gehaltenen Vorlesungen im Rahmen der Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik stellte, konnte da auch nicht mehr verwundern. Und so schien es nur folgerichtig, dass Petras ganz zu Beginn seiner drei Vorlesungen historisch den wohl weitestmöglichen Bogen spannte. Seine Ausführungen begann der Regisseur gewissermaßen am Anfang, ging zurück in die Steinzeit, zu den rituellen Vorformen des Theaters und weiter zum Dionysoskult. In der Auseinandersetzung mit der griechischen Antike zeigte sich ein besonderes Interesse am Chor als zentralem Element der dramatischen Darstellung. Der Chor sei, so Petras, der eigentliche Held des Dramas.

Strukturell, so wurde in den Ausführungen des Regisseurs deutlich, ist die Verdichtung das wesentliche Verfahren seiner Theaterarbeit. Die Wirklichkeit wird selektiert, konzentriert, zusammengeschoben und neu konstruiert. Im Vorgang der Verdichtung nehme der Künstler eine spezifische Perspektive ein, akzentuiere seine Sicht auf die Realität. Dieses Vorgehen brauche es, um emphatisch beobachten und Theater machen zu können, glaubt Petras. Zugleich sei es jedoch ebenso notwendig, Abstand zu gewinnen, zu den eigenen Vorprägungen, zum politisch-gesellschaftlichen Zeitgeist. Seine Arbeit im künstlerischen Prozess beschrieb Petras in seinen Vorlesungen als ein „Ringen um den sinnvollen künstlerischen Ausdruck“. Das Theater umriss er als „Ausnahme vom Regelbetrieb“, als Gegenraum zur Alltagswelt, in dem neue, tiefgreifende Erfahrungen möglich seien.

Seine Ausführungen verschaltete der Regisseur immer wieder mit der Theatergeschichte, zog prägende Theatermacher wie Bertolt Brecht oder Heiner Müller heran. Doch als besonders bedeutender Gewährsmann für den Regisseur erschien Einar Schleef. Kaum verwunderlich hatte Schleef den Chor doch in den 1970er und 80er Jahre wieder zurück auf die Bühne geholt.

Theater ist bei Petras, so wurde in den Vorlesungen deutlich, immer auch ein Abarbeiten an der Tradition, am Mythos. Im Zentrum steht dabei die Dekonstruktion, das „Entkleben“, wie es Petras selbst bezeichnete. Fragen danach, wie Mythen konstruiert werden, von wem und mit welchem Interesse, seien dabei der Ausgangspunkt. In der Übertragung, Aneignung, Um- und Fortschreibung der Mythen würden sich unterschiedliche (ideologische) Schichten übereinanderlegen. Ein Mythos könne immer wieder neu konstruiert und dekonstruiert, bzw. verklebt und entklebt werden, betonte Petras. Das Verfahren des Entklebens verdeutlichte der Regisseur am Beispiel des Nibelungenmythos, der in der deutschen Geschichte in besonders ausgeprägter Weise immer wieder instrumentalisiert wurde.

Doch wie erhält dieses Abarbeiten an der Geschichte, am Mythos eine Form? Seine Arbeit sieht Petras primär als ein Materialangebot für alle an der Inszenierung Beteiligten; losgelöst von bestimmten Formprinzipien und Modellen. Und so konnte es auch nicht verwundern, dass in der letzten der drei Vorlesungen, in der sich Petras mit 45 für seine Theaterarbeit zentralen literaturwissenschaftlichen Begriffen auseinandersetzte, Begriffe wie Anachronie, Dekonstruktion, Empfindsamkeit, Entfremdung und Identifikation wie selbstverständlich nebeneinanderstanden.

In der kommenden Spielzeit wird es eine weitere Möglichkeit geben, Petrasʼ Theaterschaffen am Saarländischen Staatstheater zu erleben. Am 17.01.2026 hat seine Inszenierung „Napoleon“ im Großen Haus Premiere. In der Spielzeit 2024/25 hatte Petras bereits eine Bearbeitung der „Antigone“ auf die Bühne gebracht sowie unter seinem Autoren-Pseudonym Fritz Kater das dystopische Science-Fiction-Stück „future 2 (lose your self)“ geschrieben, das von Schauspielerdirektor Christoph Mehler in Szene gesetzt worden war.

Filed Under: Kritik

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