Bild: Nina Schopka, hier als ungestüme Urmutter © Varvara Kandaurova, Korso-op.Kollektiv
Beim Korso-op.Kollektiv ist alles anders. Den Namen des Regieführenden sucht man vergeblich, dafür sind alle Prozesse in der freien Theatergruppe in der Gemeinschaft abgestimmt, auch wenn das auf dem demokratiegesteuerten Weg zur Premiere schon mal einen Darsteller und auch einen Sponsor kostet. Steht vielleicht auch in der Kurzbeschreibung des Stückes „BangBangTender“ drin, wenn dort die Rede ist von einem „Märchen über Gleichstellung und Ungleichstellung, über Macht und Ohnmacht und die hohe Kunst der Amputation“. Wobei das mit dem Märchen auch wörtlich zu verstehen ist, denn Rotkäppchen (Nadia Migdal) und der Wolf (Nina Schopka) leisten sich mit ihrer ungezügelten Sexualität einerseits und der gleichsam ungebremsten Mordgier des Wolfes andererseits schon einen Einstieg, den die Gebrüder Grimm nicht unter ihrer wilden roten Plüschmütze angelegt hatten. Ja, diese zweieinhalb Stunden Achterbahnfahrt entführt das Publikum wie auf dem Rummelplatz in eine Welt des Schauderns und Erschreckens ob der Themenfülle der Unterdrückung der Frau.
Platziert werden drastische Szenen, in der Frauen wie Hunde (mit Edda Petri) dressiert werden. Oder wie Männer ihre Überlegenheit gegenüber den Frauen damit begründen, dass sie sich ja seit Jahrtausenden bewährt habe und man bei dieser Gelegenheit – da lässt die rechte Szene grüßen – gleich mal die Menschenrechte außer Kraft setzen könne. Überschießend komisch, wie auf einem Catwalk die drei männlichen Protagonisten (Nicholas Marchand, Manuel Franz und Markus Müller) mit der spärlichsten aller denkbaren Bekleidungen daherstolzieren. „BangBangTender“ findet eindringliche Bilder, wenn es darum geht, das Werben für den Krieg als männliches Imponiergehabe zu dechiffrieren, es geißelt mit Nachdruck die jahrtausendealte Praxis der Genitalverstümmelung. Ein Abend, der trotz seines Jahrtausende alten Themas brandaktuell ist, verstört und den Betrachter gallig zurücklässt.
Burkhard Jellonnek im OPUS Kulturmagazin Nr. 97 (Mai / Juni 2023)
bis 7.5., 20 Uhr, Garelly-Haus Saarbrücken, sowie Gastspiele in Lothringen