Mit seinem Bruder Horst organisiert Jörg Mathieu Indie-Gigs in und um Saarbrücken © Layoutist
Als saarländischer Anhänger von Independent-Musik hatte man im vergangenen Jahrzehnt eine Durststrecke zu überstehen. Die Indie-Diskos starben langsam aber sicher aus, bekanntere Indie-Bands wollten auch nicht mehr in Saarbrücken spielen, da meist nur 10 Leute zum Konzert kamen. Es sah mau aus. Seit 2017 tut sich jedoch wieder einiges, zumindest was Live-Gigs angeht. Auch Jörg Mathieu ist mit seiner Konzert-Agentur Indiera Promotion seit etwas über einem Jahr dabei, die Saarbrücker Szenelandschaft wiederzubeleben.
Die Bands, die Mathieu gemeinsam mit seinem Bruder Horst nach Saarbrücken holt, sind nicht lokal, sondern international: „Für kleines Geld kann man auch mal Leute aus Mexiko, den USA oder Russland bekommen. Wenn diese Bands gerade auf Europatour sind, ist Saarbrücken eine attraktive Location für einen Zwischenstopp – es liegt auf halber Strecke zwischen Nord und Süd. Oft machen auch Bands auf Belgien- oder Frankreich-Tour einen Abstecher nach Saarbrücken.“ Wenn es nun um die Musikrichtung der gebuchten Künstler geht, setzt Mathieu voll und ganz auf Indie, die Schwarze Szene, Wave und (den vielversprechendsten neuen Trend) Post-Punk. Bands aus Rock, Metal oder Punk überlässt er den Kollegen vom Haifischblut Collective und Studio 30. „Wir wollen ja keine Konkurrenz für andere Veranstalter sein,“ lacht Mathieu. „Mittlerweile kommen Bands und Agenturen auf uns zu und fragen, ob wir ein Konzert in Saarbrücken für sie organisieren können. Wir haben dann sozusagen freie Auswahl und suchen uns Bands aus, die sowohl mir als auch meinem Bruder gefallen.“ Mathieu kann den Künstlern auch immer eine geringe Gage anbieten und organisiert eine gute Unterbringung in 3-Sterne-Herbergen: „Es soll ja alles stilvoll sein. Das Hauptziel ist, dass alle Beteiligten einen tollen Abend haben. Die Bands sind immer begeistert, vor allem auch über das Catering.“ Um das leibliche Wohl der Künstler kümmern sich nämlich seine Frau und Schwägerin – in diesem Sinne ist Indiera Promotion ein saarländischer Familienbetrieb, der mit viel Liebe zum Detail und Herzblut unterhalten wird. Die Gigs finden immer in wechselnden Locations statt, mal in der Sparte4, mal im Devil’s Place, mal auf dem Theaterschiff. Darin sieht Mathieu sowohl einen Vor- als auch einen Nachteil. „Wir sind darauf angewiesen, dass wir reingelassen werden – viele Clubs wollen eine Miete, die wir aber nicht zahlen können, da unsere finanziellen Mittel in die Künstlergagen fließen.“ Vorteilhaft sind im Gegenzug die Flexibilität und die finanzielle Unabhängigkeit, die verloren gingen, wenn man sich mit einer eigenen Location etablieren würde. Das diesjährige Programm-Juwel für Mathieu ist das Blackwater Festival, das am 14. und 15.11. zum zweiten Mal stattfinden wird. Das Festival bietet nicht nur internationale Post-Punk- und Coldwave-Bands wie „Guerre Froide“ (FR), „Bragolin“ (NL), „Raskolnikov“ (FR/CH), „Human“ (FR) und „Carlo Onda“ (CH), sondern auch eine Ausstellung der Saarbrücker Künstlerin Diana Göttermann sowie eine Filmvorführung von „Dracula“ (1931) mit Live-Musik von „The Washing Machine“ (PL). Die Bilanz nach einem Jahr im Konzertbusiness fällt für Mathieu zumindest halbwegs positiv aus: „Bisher haben wir knapp 50 Bands für Saarbrücken gebucht. Was wir derzeit machen, ist im Großen und Ganzen ein Experiment – die Besucherzahlen sind nicht immer zufriedenstellend. Es ist schwierig, die Leute zu erreichen, trotz Plakaten und Facebook.“ In 2020 soll sich nun entscheiden, ob Indiera Promotion im bisherigen Format weitermacht – noch besteht Hoffnung, dass es Mathieu gelingen wird, die saarländischen Provinzler wachzurütteln und zur urbanen Indie-Kultur zu bekehren.
Sandra Wagner im OPUS Kulturmagazin Nr. 78 (März / April 2020) in der Rubrik „popKult“