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Der Krieg weichgespült

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Christina Gegenbauer inszeniert „Mutter Courage und ihre Kinder“ im Theater Trier

Von Eva-Maria Reuther

„Der Krieg soll verflucht sein. Der Krieg ist mein Geschäft“. Seit Jahren zieht Anna Fierling, genannt „Courage“ infolge einer tollkühnen Aktion, mit ihrem Marketenderwagen und ihren drei Kindern hinter den Heeren des Dreißigjährigen Krieges her, um an ihm zu verdienen. Ihr Geschäftsmodell ist bis heute aktuell. Das Geschäft mit dem Krieg boomt ungehemmt. Schließlich ist die Welt, wie wir gerade dieser Tage wieder erfahren, weit vom Frieden entfernt. Bert Brechts berühmtes Antikriegsdrama „Mutter Courage und ihre Kinder“ hat fraglos nichts an Aktualität verloren. Jetzt hat die Wiener Regisseurin Christina Gegenbauer das Bühnenstück am Theater Trier neu inszeniert. Am Wochenende war Premiere.

Brechts Drama ist eines der berühmtesten Antikriegsstücke überhaupt, und vielerorts Schullektüre. Wohl auch in Trier, wo die Produktion sogar eine „Patenklasse“ hat. Mit seiner „Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg“, die Brecht im skandinavischen Exil schrieb, hatte der Autor Großes im Sinn. Das 1941 in Zürich uraufgeführte Stück sollte dazu beitragen, die skandinavischen Staaten davon abzuhalten, sich in den Zweiten Weltkrieg einzumischen. Brecht wusste sehr genau um die Allianz von Geschäft und Krieg, und ihre bittere Bilanz, bei der, wie er feststellte, die kleinen Leute die notorischen Verlierer waren. Sein Antikriegsstück ist denn auch ein kapitalismuskritisches Stück, das den Kapitalismus als Kriegstreiber anprangert. Nach „Der gute Mensch von Sezuan“ inszeniert Christina Gegenbauer zum zweiten Mal in Trier ein Drama von Brecht. Seine „Mutter Courage“ setzt sie nach Märchenart in Szene. Das hat vor etwas mehr als zehn Jahren auch David Bösch am Wiener Burgtheater getan. Und schon damals geriet die Inszenierung zu harmlos.

Auch Christina Gegenbauers Lesart ist viel zu weichgespült. Dabei bewirkt sie genau das, was Brecht mit seiner Parabel vermeiden wollte, und weshalb er sogar einige Szenen als zu rührselig strich.  Statt ein Denkmodell zu schaffen, das beim Publikum eigenständige Reflektion in Gang setzt, inszeniert Gegenbauer das gefühlige Psychogramm einer lebenserfahrenen, im Grunde  rechtschaffenen Frau, die sich und  ihre Kinder mit anrüchigen Geschäften durchzubringen versucht, und dabei alles verliert. Dem Märchen entspricht schlüssig die Ästhetik. Dazu hat Andrej Rutar eine kantige Felslandschaft aus geometrischen Figuren und auf die Bühne gestellt, deren Konturen bisweilen durch Leuchtstäbe markiert werden. Ein eindrückliches Bild des unwegsamen Geländes, auf dem sich Courage und ihre Kinder bewegen. Statt mit Marketenderwagen kommen Mutter Courage und ihre Kinder in Trier  mit schickem Gepäck daher. Märchenhaft bunt sind auch Julia Klugs Kostüme. Und selbst wenn im Hintergrund die Gewehrsalven rattern, verbreitet das keinerlei Schrecken. Gegenbauer hält sich an Brechts Vorlage und inszeniert das Geschehen als Bilderfolge. Darin bestimmt der Wechsel von Erzählung, Spiel und den Songs von Paul Dessau den Rhythmus. (Musikproduktion und Arrangements Nikolaj Efendi). Ein zauberhaftes, geradezu altmeisterliches Bild bietet die Erzählerin mit ihrer Lichtkugel. Völlig unbefriedigend bleiben allerdings Personenführung und spielerische Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler, die zum Teil in mehreren Rollen besetzt sind. Ohne erkennbaren Sinn wird viel gerannt und geschrien, und zum Teil schlecht verständlich gesprochen. Was Ausdruck seelischer und geistiger Energien sein sollte, erschöpft sich vielfach in Deklamation. Als um ihre Kinder besorgte „Courage“ spielt sich Stephanie Theiß zwar einmal mehr die Seele aus dem Leib. aber es fehlt ihr an zynischer Härte. Erst wenn sie singt, ist sie ganz bei Brecht. Aktionsfreudig aber völlig farblos bleiben ihre beiden Söhne Eilif (Marvin Groh) und Schweizerkas (Florian Voigt). Da hat Jana Tali Auburger als stumme Tochter Kattrin mehr Ausdruckskraft. Als Lagerhure Yvette Pottier, die sich einen abgewrackten Obristen angelt, lässt Carolin Freund kein Telenovela-Klischee aus. Ihr Oberst ( Thomas Jansen) hinkt als Karikatur der Karikatur durchs Bild. Kalte Berechnung schafft hingegen Giovanni Rupp als mit Embonpoint ausgestatteter Koch. Als Komplize  geistlicher und weltlicher Macht  präsentiert sich im prächtigen Habit der Feldprediger (Klaus-Michael Nix).

Zwei großartige Momente gibt es am Ende dann doch in dieser Inszenierung, die ganz aus dem für-und vorsorglichen Geist der Trigger-Warnungen entstanden zu sein scheint und dem Publikum weder etwas zumutet, noch ihm möglicherweise etwas zutraut. „Wenn die stumme Kattrin plötzlich als Warnung vor den Soldaten ihre Stimme zurückerlangt und in ein geradezu kreatürliches Schreien ausbricht, hat man den Schrecken des Krieges verstanden. Schauerlich wird Leere und ohnmächtige Entmenschlichung vernehmbar, wenn Stephanie Theiß als „Courage“ ihrer toten Tochter ein fast tonloses Schlaflied singt.

Die nächsten Termine: 25.01.2025, 14.,18.,02.2025, jeweils 19.30 Uhr, 09.02.,18 Uhr, Theater Trier Großes Haus, theater-trier.de

Filed Under: Allgemein, Kritik

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