© Frédérique Aït-Touati, Alexandra Arènes, Axelle Grérgoire
(red.) Die geplante Ausstellung des Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) über die kritische Situation der Erde Critical Zones fällt durch die Corona-Krise in eine kritische Zeit. Eine neue Erdpolitik verlangt auch eine neue Ausstellungspolitik.
Die wachsende Ausstellung Critical Zones vor Ort wird daher mit einer digitalen Ausstellung verbunden und zu einem nichtlokalen Ereignisfeld im realen und virtuellen Raum. Ab 8. Mai 2020 eröffnet die Ausstellung mit einem mehrtägigen Streaming-Festival – ein Programm von mehreren Tagen, das aus gestreamten Führungen durch den virtuellen Raum wie durch die reale Ausstellung, aus zugeschalteten Interviews und Vorträgen bestehen wird. Das ZKM wird zur Plattform für ein dezentrales, non-lokales Ereignisfeld: es kommt zum Publikum nach Hause und bietet als „home museum“ ein virtuelles Begleitprogramm mit einer breiten Programmvielfalt.
Alle vorhandenen Kanäle, offline und online, real und virtuell, analog und digital, werden auf neuartige Weise vernetzt, um eine Ausstellung in ein „Sendeprogramm“ zu verwandeln. In dieser mehrdimensionalen, mehrkanaligen Kommunikation zwischen Sender und Empfänger, gilt es, die Empfänger zu aktiven Sendern zu machen. Die Ausstellung wird zu einem „Echoraum“, zu einem Resonanzraum von symbiotischen Kommunikationsformen – eine Antwort auf den symbiotischen Planeten. Die Einsicht, dass das Leben auf dem Planet Erde durch die Symbiose aller Lebensformen entsteht und besteht, verlangt auch neue Modi der Kommunikation zwischen Menschen.
Kritische Zonen
Der Globus prägt bisher unser Verhältnis zur Erde. Ein astronomischer Körper unter vielen, aufgeteilt in Längen- und Breitengrade, gesehen von einer unmöglichen Perspektive von außerhalb und in Distanz zu uns, ist das Bild, das unser Verhältnis zu unserer Lebenswelt als ein distanziertes, mechanisches und vor allem beherrschbares, beschreibt. Die Ausstellung Critical Zones setzt bei einem Perspektivwechsel an, und fordert auf, einzusehen, dass wir uns nicht auf dem Globus, sondern innerhalb der „Kritischen Zone“, eingebettet in deren vielfältige, dynamische Prozesse, befinden.
Der Begriff „Critical Zone“ ist aus den Geowissenschaften übernommen und bezeichnet die biochemische, fragile und hoch reaktive Membran, nur wenige Kilometer dick, in der sich alles Leben entwickelt hat bzw. in der es die eigenen Bedingungen für sein Überleben geschaffen hat. Von Bruno Latour wird der Begriff ins Philosophische erweitert zu einem kritischen, teilnehmenden Verhältnis unserer selbst in unserer Lebenswelt, deren bedrohter Zustand in einer nun vom Menschen geprägten Erdgeschichte ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht hat.
„We must face up to what is literally a problem of dimension, scale, and lodging: the planet is much too narrow and limited for the globe of globalization; at the same time, it is too big, infinitely too large, too active, too complex, to remain within a narrow and limited borders of locality whatsoever.“
(Bruno Latour)