Michael Buchna © privat
Arbeit und Streitkultur
Respektvoller Umgang ist nicht verzichtbar. Es fällt unangenehm auf, wenn Zeitgenossen nicht in der Lage sind, sich auf Augenhöhe zu begegnen und achtsam miteinander umzugehen und unnötigen Streit zu vermeiden. Vielen kommt heutzutage zusehends die Geduld abhanden und das Bewusstsein für das gesellschaftliche Miteinander, um Herausforderungen konstruktiv anzugehen. Und das Verhältnis zwischen Stärkeren ist nicht hinreichend austariert. Aber wissen wir exakt, wer der Stärkere oder wer der Schwächere ist in unserer Gesellschaft?
Zu Beginn der Sommerferien riefen die Gewerkschaften zur Machtdemonstration auf. Ein Streik des Bodenpersonals der Flughäfen wurde medienwirksam inszeniert. Viele Flugreisende waren heftig betroffen, Ihre festgebuchten Urlaubsträume drohten zu platzen, wurden gar zunichte gemacht. Und dann zogen auch noch die Piloten nach. Hätte es nicht gereicht eine symbolische Nachricht an den Sozialpartner zu senden? Wochen danach ist dieser medienwirksame Tarifstreit beigelegt und nach dem Streik ist vor dem Streik. Man versteht den Unmut derer, auf deren Rücken das alles ausgetragen wurde.
Unsere Gesellschaft vergisst und verdrängt leider recht schnell. Die eigentliche Misere zeigt sich daran, dass die Nettolöhne der Beschäftigten abnehmen und damit auch die Kaufkraft. Andererseits müssen viele Betriebe immer mehr mit spitzeren Bleistiften rechnen. All das geht auf Kosten des Zusammenhalts und beeinträchtigt die Beziehungen der Sozialpartner, Pflicht und Fürsorge gleichermaßen, denn sie ergänzen sich sinnvollerweise. Es erscheint wahrhaft mühsam, in diesen Tagen den Überblick zu wahren.
Die Coronazeit hat uns alle kräftig durchgerüttelt. Die Gastronomie fühlt sich überfordert, vor allem wegen des Mangels an Arbeitskräften und mit Blick auf sinkende Umsätze. Viele blicken mit Sorgen in die Zukunft und Krankmeldungen und psychische Überforderungen nehmen zu – und die Krankenkasse (Gibt es nicht zu viele im Saarland?) ächzen unter den Lasten der Gesundheitskosten. Jeder kann und soll sich eine persönliche Meinung bilden. Das ist das gute Recht des Bürgers. Ein ausgewogenes Urteil wird allerdings erschwert durch die immense Überflutung mit Nachrichten, Infos und bildmächtigen Botschaften. Die Überflutung durch Werbung und die Sozialen Medien macht uns immer mehr zu schaffen. Die Algorithmen im Internet erfassen unser Nutzverhalten und unsere Gewohnheiten und Vorlieben und machen uns zunehmend gläsern. Sie beeinflussen in unerträglicher Weise unsere Bildungs-, Konsum- und Erlebenswelt, sind Teil einer gezielten Marketingstrategie. Es ist alles andere als einfach, zwischen „Fake“ und Wahrheit zu unterscheiden. Generell wachsen Misstrauen und Frust. In der Politik fehlt es nicht selten an Mut und Gelassenheit, beherzt zu entscheiden, um die aktuellen Herausforderungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels erfolgreich zu bestehen. Querdenken und Realitätsverweigerung grassieren, Kometen sollen auf die Erde stürzen, Aliens waren angeblich schon immer unter uns – und es ist nicht ausgemacht, dass diese Verirrungen Zuspruch finden und aufgesaugt werden wie das Wasser vom Schwamm.
Gerade heute kommt es deswegen ganz besonders auf gute und fundierte Bildung an, auf Selbstbeherrschung und Disziplin. Auf einen soliden Beruf und auf Fleiß darf man stolz sein, auch auf die Übernahme von Verantwortung. Wertvoll ist auch der Respekt vor der Leistung anderer und die Fähigkeit zu Selbstkritik. So wird man ein wertvolles Glied der Gesellschaft. Die Herausforderungen durch Umwälzungen und Krisen nehmen allerdings eher noch zu. Daran zu glauben und dafür zu kämpfen und zu streiten, jeder mit seinen Mitteln, unsere Lebensverhältnisse zu verbessern, verlangt Mut und Entschlossenheit. Ideen und Vorschläge gibt es viele. Aber es gilt, sie entschlossen umzusetzen. Kämpfen wir gemeinsam für das, was uns allen nützt. Guter Streit mit sachlichen Argumenten wird immer hilfreich sein. All die tollen Sprüche auf Twitter, Facebook und die Momentaufnahmen abstruser Lippenbekenntnisse auf Instagram kann man getrost vergessen.
Michael Buchna
Michael Buchna ist Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes Saarland
E-Mail: m.Buchna@hotel-saarschleife.de