
von Eva-Maria Reuther
Theater ums Theater. Was längst beschlossen ist, sorgt neuerlich in Trier wieder für erregte Debatten. Bereits 2019 hatte sich der Stadtrat mehrheitlich für den Erhalt des Drei-Sparten-Theaters ausgesprochen. Sechs Jahre später ist die Planung nun abgeschlossen und die aktuelle Kostenschätzung liegt vor. Auf 90 Millionen Euro werden sich die Kosten voraussichtlich belaufen. Darin sind enthalten die Kernsanierung des Hauses und die Verlegung des Eingangs vom Augustinerhof zum Viehmarkt, also zur Innenstadt hin, sowie ein Anbau mit einem dringend notwendigen Probesaal für das städtische Philharmonische Orchester. Bei ihrem Bauvorhaben rechnet die Stadt mit einem Landeszuschuss von 60 Prozent, blieben also noch 36 Millionen Euro Eigenanteil übrig. Womöglich gibt es auch noch Bundesmittel. Ein Projekt, das die Stadt schultern kann, sagen Oberbürgermeister Wolfram Leibe und Kulturdezernent Markus Nöhl. Gleichwohl ist die Aufregung groß. In den sozialen Netzwerken empören sich die Kommentatoren über solche „Luxusbauten“ und rechnen sanierungsbedürftige Schulbauten, Kitas und Straßen gegen das Theaterprojekt auf. Mal vorab: Im städtischen Haushalt für 2026 sind Investitionen im Umfang von 100 Millionen Euro geplant, davon allein 17,3 Millionen für Schulen und Kitas. Solche Aufrechnungen ganz unterschiedlicher Bereiche sind fatal. Zielführender und in diesen Tagen dringlich wäre es, sich die Frage nach der Bedeutung von Kultur zu stellen, und was sie uns wert ist. Jedenfalls viel mehr als Luxus oder eine Ware, mit der sich profitable Deals machen lassen. Unsere Kultur ist existentiell. Sie ist die geistige Grundlage unserer europäischen westlichen Werte, unserer demokratischen Lebensform, unseres Wissenschafts- und Bildungsverständnisses und unseres Rechtssystems. Kurz unserer Identität. „Kultur ist Daseinsvorsorge“, hat der angesehene Regisseur und Bochumer Theaterintendant Johan Simons festgestellt. Die Kultur unserer westlichen aufgeklärten Gesellschaft ist eine Kultur der Dialektik, des Hinterfragens, des Diskurses wie der Vielfalt. Im öffentlichen Theater findet sie ihren Ausdruck. Als ein Ort freiheitlicher demokratischer bürgerlicher Emanzipation und gesellschaftlicher Teilhabe ist das öffentliche Theater ein Ort des Pluralismus und der Freiheit. Gemeinsam mit dem Publikum schafft es ohne ideologischen Auftrag und materielle Gewinnerwartung einen Denk- und Kreativraum für Geist und Sinne. Genau deshalb wird es subventioniert. Das öffentliche Theater ist mehr als eine Spielstätte. Es ist ein Raum der Reflexion mittels des symbolischen Bildes der Kunst. Darin werden die Welt und ihre Verhältnisse kritisch hinterfragt, Überkommenes auf seinen Gegenwartsbezug abgeklopft, innovative Bilder entwickelt und der Utopie Raum gegeben. Und all das auch noch unterhaltsam, berührend und poetisch. So wird das Theater zur „moralischen Anstalt“ ganz ohne didaktischen Ehrgeiz. Das Theater ist ein Ort kultureller Bildung, nicht nur seines theaterpädagogischen Angebots wegen oder weil es an die sozialen Brennpunkte geht, sondern auch für ein Publikum, das Bildung als einen lebenslangen Prozess des Erfahrungs- und Erkenntnisgewinns versteht. All das macht das Theater in unserer Gegenwartsgesellschaft dringlich. Bleiben noch ein paar andere Pluspunkte nachzutragen. Als weiche Standortfaktoren vergrößern Theater die Attraktivität und das Image einer Stadt. Als Umwegrendite generiert – so legen Studien nahe – zudem jeder in die Kultur investierte Euro zwischen ein und zwei Euro Mehrwert. Trier hat eine 2000 Jahre alte Kulturhistorie. Bis heute ist die Stadt ein herausragender Kulturstandort mit seinen einzigartigen römischen Monumenten, seinen Museen, seiner Universität und seiner Hochschulen, und seinem vor 200 Jahren gegründeten Theater. Dessen aktuellen Bau zu erhalten und angemessen zu modernisieren, sollte daher eine Selbstverständlichkeit sein. Das sieht offensichtlich auch Tobias Scharfenberger, der scheidende Intendant des Mosel Musikfestivals, so. „Ich finde, eine Debatte wie die aktuelle Theaterdebatte ist einer Stadt wie Trier unwürdig“, erklärte Scharfenberger beim Abschlusskonzert des Festivals in der bis in die letzten Reihen besetzten Trierer Basilika.
Bild: Entwurf des Studios PFP für den Eingangsbereich des erweiterten und sanierten Theaters © Studio PFP
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