
Von Burkhard Jellonnek
Zum Auftakt setzen frischgebackene Theaterchefs im Schauspiel gern markante Zeichen. Doch bei seinem Einstand als Generalintendant des Saarländischen Staatstheaters riskiert Michael Schulz mehr. „Käsch und Naziss“, ein Stück aus der Feder seines aus Gelsenkirchen mitgebrachten Hausautors und Chefdramaturgen Ulf Schmidt, ist ein Bekenntnis, ein Fanal. „Arsch hoch“, schreit am Ende der wohl siebzigköpfige Bürgerinnenchor ins Publikum – Ende eines verstörenden Dreiakters über die Gefährdung unserer Demokratie. Teil eins spielt 2025 im imaginären „Diesland“, in dem der Milliardär Käsch (Raimund Widra) und die mit völkischen Parolen die Stimmung anheizende Frau Naziss (Laura Sundermann) auf Menschenfang gehen. „Die Rehe sind unser Unglück“, skandieren derweil marodierende gewaltbereite Jäger im Wald. Wer bei dieser Volksgemeinschaft nicht mitmachen will, ist seines Lebens nicht mehr sicher: Waterboarding gehört noch zu den „harmloseren“ Folterpraktiken. Regisseur Volker Lösch, ein ganz erfahrener, arrivierter Theatermann, inszeniert diesen Teil im Stil des „Grand Guignol“. Schon das opulent ausgemalte Bühnenbild von Carola Reuther erinnert an ein Kasperletheater. Aber das bisweilen kaum zu unterdrückende Juchzen über die einfältigen Stimmungsmacher erstickt dem Betrachter angesichts deren Lust an Gewalt und Unterdrückung immer wieder im Halse.
Teil zwei springt ins Jahr 2029: die „Rechtsausleger“ haben zuerst die Macht im Saarland und nun auch im Bundestag übernommen und gefallen sich frech in ihrer neuen Machtfülle. Wer beim Antrittsbesuch der neuen Regierungsvertreter im Saarland im Publikum nicht applaudiert, bekommt bald Besuch der Beauftragten des Bundessicherheitsamtes (Laura Sundermann). Der Kanzleramtsminister, aalglatt verkörpert von Gregor Trakis, zeigt auf, wie sehr die Demokraten mit ihren Gesetzgebungen den neuen Machthabern in die Hände gespielt haben. Dabei habe doch schon Innenminister Björn Höcke 2018 geschrieben, was die nicht zum Volkskörper Gehörenden an Folgen zu ertragen hätten: Remigration nannte man das. Und die Rednerbank der neuen Machthaber überschlägt sich im Herunterbeten der neuen Maßnahmen: wie leicht fiel es doch, die demokratischen Steuerungsmittel der Justiz (Nicolai Gonther), im Finanzbereich (Martina Struppek) oder im Gesundheitswesen (Laura Trapp) ins Gegenteil zu verkehren. Ob dieser schrillen Zukunftsvision kann einem nur angst und bange werden. Wer vermag da noch zu helfen? Im dritten Teil schwappt die Woge eines stimmgewaltigen Chores auf die – schon zu Hitlers Zeiten – riesige Staatstheater-Bühne: Eine nicht enden wollende Suada (Einstudierung: Luca Pauer) der Aufforderung, hier und jetzt alle Kräfte zu bündeln, um diese drohende Machtübernahme noch zu verhindern. Alle im Publikum sind gefordert: die in der Premiere vertretenen „Omas gegen Rechts“ wie die stimmgewaltigen Frauen mit ihrer Forderung nach dem AfD-Parteienverbot, die Gewerkschaftler, den demokratischen Parteileute bis zum Adolf-Bender-Zentrum oder dem Netzwerk für Demokratie. Dann blüht unserer Demokratie nicht die „Selbstabschaffung“, sondern es gelingt ihre Verteidigung.
Und genau damit hat das Saarländische Staatstheater mit Michael Schulz ein unerschrockenes, mutiges und hoffentlich ansteckendes Fanal zu seinem Start gesetzt!
Informationen:
Die nächsten Termine im Großen Haus:
24., 27. September, 03., 07., 12. (18.00), 19. Oktober, 05., 10., 16., 19. Dezember und 10. Januar 2026, jeweils 19.30 Uhr
Titelbild: Opulentes Bühnenbild von Carola Reuther mit Laura Sundermann und Raimund Widra in „Käsch und Naziss“ © Pedro Malinowski, Saarländisches Staatstheater


