
Zwei dikursträchtige Stücke von Sarah Kane und Elfriede Jelinek
red.
Am 13. September ginge in der Alten Feuerwache Saarbrücken eine Doppelproduktion des Saarländischen Staatstheaters über die Bühne: Zu Beginn Sarah Kane‘s „Gier“, das vierte Theaterstück der britischen Dramatikerin, das 1998 während des Edinborough Festivals uraufgeführt wurde. Im zweiten Teil des Theaterabends erlebte das Publikum Elfriede Jelineks dystopisches Stück „Sonne“, das am 16. Dezember 2022 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt wurde. Was beide Stücke gemeinsam haben, ist die Egozentrik, die sowohl die Gier als auch die Darstellung und Wirkung der Sonne kennzeichnet.
In „ Gier“ agieren vier SchauspielerInnen, die Kane im Stück mit den Buchstaben C (Lea Ostrowskiy) M (Verena Bukal), B (Jan Hutter) und A ( Christiane Motter) bezeichnet, die alle sprachlich konzentriert, ausdrucksstark und schauspielerisch überzeugend agieren (herausragend Christiane Motter).
Es sind eigentlich nur Satzfetzen, die Sarah Kane in ihrem „theatralischen Langgedicht“ häufig zusammenhangslos aneinanderreiht. Aber sie treffen das Publikum quasi wie Pfeile oder Wurfspieße mit der ungeheuren Wucht ihrer Aussagen: zu unerfüllter Liebe, zu Sehnsucht und Schmerz. Mit Gier ist hier weniger die Durchsetzung maßlosen Begehrens im Fokus, eher eine starke Erwartungshaltung, die ihr Ziel nicht erreichen kann. Wo der sperrige, sehr eindrucksvolle Text zum Dialog ansetzt, ist die Antwort des /der Angesprochenen Abweisung oder Desinteresse.
In der überzeugenden Inszenierung von Philipp Preuß mit dem gelungenen Bühnenbild von Sara Aubrecht agiert Sebastien Jacobi in leuchtendem orange- gelb glitzerndem bodenlangem Umhang als weiterer Protagonist bisweilen als ordnende Hand, die aufräumt, was die AkteurInnen zurückgelassen haben, bisweilen als Dekorateur, der etwa ein großes Tuch auflegt oder wegräumt, unter dem sich die Akteurinnen verkriechen, wenn sie sich verbalen Ausfällen der anderen Personen auf der Bühne nicht mehr gewachsen fühlen.
Für die passende musikalischen Umrahmung und Akzentuierung sorgen gekonnt und fundiert Jonathan Lutz und Gaby Pochert.
Der Übergang von Kane zu Jelinek erfolgt nahezu nahtlos. Bühnentechniker fegen die Papierschnipsel zusammen, die die ProtagonistInnen mit Gebläsegeräten über die Bühne wirbelt haben, und installieren auf dem kreisrunden Geleis, das die Bühne in der Mitte markiert, ein elektrogetriebenes Minifahrzeug, das die von uns Menschen fälschlich wahrgenommen Umrundung der Erde durch die Sonne symbolisiert.
Sébastien Jacobi kehrt im Glitzerumhang trägt dasselbe Kostüm wie in „Gier“ und kehrt mit einer orange-gelb farbigen kreisrunden Leuchtkörper auf dem Haupt ins Zentrum der Bühne zurück; er verkörpert so die Titelfigur in Elfriede Jellineks Sonne, einer – ebenso wie „Gier“ von Kane – gekürzten Fassung des Stücks „Sonne | Luft | Asche. Diese Titelfigur schildert in ihrem Monolog, was die Sonne für die Erde bedeutet: sengende Hitze, die den Klimawandel beschleunigt, das Wasser austrocknet und auf das drohende Ende unseres Planeten, aber auch die wohlige Wärme, die der Sonnenschein dem Menschen schenkt, sowie dessen Wachstums und Blütentreibende Funktion in der Natur. Die Luft zum Atmen und der Wind, der die Wolken treibt, wird durch symbolträchtigen Nebel symbolisiert, Der am Bühnenende aus dem Bereich der Zuschauerin quillt. Die Akteurinnen aus „Gier“, zu denen sich Gaby Pochert und Jonathan Lutz gesellen, wirken wie Adaptern, die den Ausführungen der Sonne willig folgen und ab und an betörend schönem Gesang aufwarten.
Für die vielfältig eingesetzten Videos zeichnet Konny Kellner und für die perfekte Bühnenausleuchtung Nicholas Heintz verantwortlich.
Ein bestens gelungener Einstand des neuen Generalintendanten Micheael Schulz in der alten Feuerwache, Der bestens geeignet ist, den Diskurs in wichtigen, gesellschaftlichen Fragen anzuregen.


