Varieté Surprise Nuit 2 © Foto: Agentur Erlebnisraum
Hedonismus und Bohème, Erinnerungen an die Zeit der 1920 Jahre und Shows, die weniger Nacktheit zeigen, aber mehr bieten als den reinen Strip, das ist die Burlesqueszene Saar. Denken wir an Burlesqueshows fallen uns häufig Namen ein wie Dita von Teese oder Frankie Fictitious, doch auch hier im Saarland gibt es KünstlerInnen, die mit ihren Shows bereits zahlreiche Bühnen in ganz Deutschland bereichert haben. Ihre Namen sind Chouchou Magique, Absinthique, Jezebel Hellcat oder Coco Clowness und sie alle haben eine Gemeinsamkeit: Ihre Heimat und bevorzugte Wirkungsstätte liegt im Saarland. Um genauer zu sein in der Erlebnisgastronomie „Zum Hirsch“ in Saarbrücken.
Wer unter Burlesque die eindimensionale Vermarktung nackter Haut versteht, hat die Kunst hinter den Shows nicht verstanden. Burlesque ist Gesang, Comedy, Tanz, Akrobatik und Erotik kombiniert in einer fesselnden Show, die durch ihre Interaktion mit dem Publikum geprägt ist. Alle KünstlerInnen treten mit einer individuellen Show auf und werden vom Publikum mit Jubel und Applaus zum nächsten Schritt aufgefordert. So kann bereits das Abstreifen eines Handschuhs zu wahren Beifallsstürmen führen. Das Publikum in der Szene ist bunt gemischt und repräsentiert nahezu jedes Alter und Geschlecht. Ein Kristallisationspunkt dieser Kunstform im Saarland ist Herr Impressario, besser bekannt als Julian Blohmann. Er konnte uns einige Fragen zur saarländischen Burlesqueszene beantworten.
OPUS: Was bedeutet Burlesque für Dich?
Julian Blohmann: „Burlesque ist für mich herrlich unanständig. Sie ist eine Kunstform, die halbseiden der Gesellschaft den Spiegel vorhält. Sie kokettiert und spielt mit dem „Unanständigen“ und antiquierten Moralvorstellungen. Burlesque ist eine sympathische Art sich selbst und die Gesellschaft mit all ihren Seins- und Denkverboten auf die Schippe zu nehmen.“
Wie seid ihr darauf gekommen, Burlesque ins Saarland zu holen?
„Als wir ein altes Theater aus dem 19. Jahrhundert (den Hirsch) renovieren wollten, war klar, dass hier etwas Mondänes im Stile der 1920 Jahre etabliert werden musste. In etwa der gleichen Zeit gründete die Künstlerin Absinthique die Saarland Burlesque Society. Während der Pandemie war es den KünstlerInnen möglich, im Hirsch zu proben. Somit hatte die Saarland Burlesque Society in Saarbrücken ein neues Zuhause gefunden.“
Warum Burlesque?
„Die Kunstform spiegelt zum einen die hedonistische Lebenshaltung der Bohème wieder, welche sich hier in Saarbrücken bereits in der Bakerstreet etabliert hatte, aber auch eine gesellschaftskritische Metaebene. Diese Mischung repräsentiert für uns die Neo-Bohème.“
Ist Burlesque Kunst?
„Ja! Burlesque ist sogar multiple Kunst, denn sie kombiniert verschiedene Kunstformen, um eine Geschichte zu erzählen. Burlesque versucht das Publikum in eine andere Welt zu entführen und zelebriert dabei die Schönheit in all ihren Facetten.“
Wie kann man im Saarland Burlesque erleben?
„Es gibt diverse Formate im Saarland, die Burlesque als Showbestandteil anbieten. So zum Beispiel die Veranstaltungsreihe „Zu Asche und Gold“, aber auch diverse Tanzshows, die oft auf KünstlerInnen zurückgreifen. Aber auch hier im Theater Zum Hirsch gibt es Shows wie die Grand Night of Burlesque, die ein Kennenlernen und Erleben dieser Kunstform ermöglichen.“
Fazit: Burlesque ist eine Kunstform, die sich durch ihre Vielschichtigkeit auszeichnet. Sie vereint Tanz, Akrobatik, Musik, Gesang, Poesie, Comedy und Erotik in einer einzigartigen Melange, die mehr den Geist anregt als sie tatsächlich an nackter Haut zeigt. Burlesque ist gesellschaftskritisch und bricht mit Tabus. Genau wie Poledance Hochleistungssport ist, ist auch Burlesque eine zeitgenössische Kunstform und Ausdruck des Lebensstils der Neo-Bohème, welche im Saarland immer mehr Einzug hält.
Benjamin Kiehn im OPUS Kulturmagazin Nr. 96 (März/April 2023)