Überzeugend bei den Wasserspielen Genija Rykova als Brünbild und Werner Wölbern alsn Wotan. © David Baltzer, Nibelungenfestspiele Worms
Nibelungenfestspiele Worms
Die Frauen haben das Sagen
Nestroy-Preisträger Ferdinand Schmalz setzt die „hildensaga“ unter Wasser
Soviel Wasser war nie! Über dreieinhalb Stunden läuft die „hildensaga. ein königinnendrama“ vor der imposanten Kulisse des Wormser Doms, fast immer agiert das 11-köpfige, darstellende Ensemble im und unter Wasser, in dieser trotz 30-Grad-Wassertemperatur buchstäblich herausfordernden Inszenierung von Regisseur Roger Vontobel. Nachgeholt wird damit ein 2020 aus Corona-Gründen ins Wasser gefallenes und jetzt nachgeholtes Umsetzungsversprechen an den österreichischen Dramatiker und Nestroy-Preisträger Ferdinand Schmalz, der mit fast feministischem Blick die Nibelungensage in seiner Uraufführung neu bewertet. Dem trägt schon die zur Flusslandschaft verwandelte Spielstätte mit ihrer sich spiegelnden Wasseroberfläche Rechnung. Eingangs tauchen die beiden Protagonisten, der legendäre Drachentöter Siegfried (Felix Rech) und Brünhild (Genija Rykova) aus den Fluten auf und loten ihre Beziehung mit einem heftigen Geschlechterkampf um die Vorherrschaft buchstäblich unter Wasser aus. Als Brünhild von Siegfried zugunsten der strahlend schönen Kriemhild verlassen wird, muss sie erkennen, dass dahinter ein Ränkespiel der um ihre Macht fürchtenden Welt der insignientragenden Männer steht und sie selbst zum Opfer einer infam eingefädelten Vergewaltigung geworden ist. Ferdinand Schmalz, der mit seiner kraftvollen, wortmächtigen Sprache auch zahlreiche Anspielungen auf das heutige ukrainische Kriegsgeschehen und die gerade in Rheinland-Pfalz Landstriche zerstörende Flutkatastrophe unterbringt, lässt seine beiden Königinnen Kriemhild und Brünhild ein Komplott schmieden, um die Dominanz des vermeintlich starken Geschlechts zu brechen. Siegfrieds durch ein Lindenblatt verwundbar gebliebene Körperstelle am Rücken wird preisgegeben, doch am Ende gibt es für die neue Frauenpower in der „hildensaga“ kein glückliches Ende. Auch Kriemhild, fulminant dargestellt von Gina Haller, fällt dem Hass der Männer zum blutigen Opfer – angeführt von einem von Werner Wölbern markant in Szene gesetzten Wotan, einem intriganten Hagen (Heiko Raulin) und einem verpeilten König Gunter (Franz Pätzold). Das vom Intendanten Nico Hofmann bei Ferdinand Schmalz bestellte Regiekonzept ging am Ende auf und sorgte für einen fesselnden Premierenabend, der durch die genreübergreifenden musikalischen Kommentierungen der ebenfalls das Wasser suchenden Saxophonistinnen Mia Dyberg, Anna Tsombanis und Inge Rothammel und dem von der Tribüne agierenden Schlagwerker Manuel Loos, dem Gitarristen Keith O‘Brien und Jan Sebastian Weichsel am Bass auf das Beste bereichert wurde. Eine starke 20. Jubiläumsausgabe der Nibelungenfestspiele als Aushängeschild weit über die Stadt Worms hinaus.
Burkhard Jellonnek