Mahbuba Elham Maqsoodi vor ihrem Kunstwerk © Foto Atelier Maqsoodi
(red.) Mahbuba Elham Maqsoodi malt mit Glas: Die Wandinstallation aus Licht und Farbe nimmt die Betrachtenden in ihrer Dynamik mit und lädt gleichzeitig zur stillen Kontemplation über grundlegende Fragen zum eigenen Sein und der Welt ein.
Ein leerer Raum des neu sanierten Bürogebäudes des Missionswerks missio inspirierte Mahbuba Maqsoodi zu ihrem Werk mit dem Titel „Sail“. Die Künstlerin mit afghanischen Wurzeln und einer sehr bewegten Lebensgeschichte schuf eine dauerhafte Wandinstallation aus Glas, die ab sofort BesucherInnen von missio in der Münchner Innenstadt empfängt. Im Rahmen der Sanierung wurden weitere KünstlerInnen verschiedener Glaubensrichtungen und unterschiedlicher Herkunft eingeladen, die öffentlichen Bereiche des Gebäudes auszugestalten und miteinander in Dialog zu treten. Maqsoodi erhielt den Auftrag für die Gestaltung des großen Begegnungsraums im Dachgeschoss.
Bereits mit dem Betreten des Raums werden die BesucherInnen Teil des Werks, obgleich der Blick zunächst nach außen über die großflächige Fensterfront auf die Stadt und auf den Himmel gelenkt wird. Erfahrbar wird die Installation erst, wenn sie den Raum betreten haben und sich – geführt von einer farbigen Figurengruppe links zur Eingangswand umdrehen. Die große spiegelnde Fläche, zusammengesetzt aus farbigen Glasscheiben in Blau-, Gelb-, und Rottönen spannt sich auf wie ein großes Segel. Es finden sich dort stilisierte Figuren, die sich überlagern, ineinanderfließen und verschmelzen. Alles scheint in Bewegung – eine Bewegung aus Farbe und Licht. Sind auf der einen Wand die Figuren noch in ihrer einzelnen Gestalt zu erkennen, verdichten sie sich auf der Hauptwand zu einer wogenden Welle. Sie nehmen den Betrachtenden mit in einen Strudel aus Bewegung und Farbe. Dynamisch streben sie nach oben und lösen sich dort scheinbar in Licht auf. Nicht nur die Figuren sind miteinander verwoben, auch der Umraum wird durch die Reflexionen der Spiegel miteinbezogen. Es gibt keine klare Trennung, alles ist miteinander verwoben und vernetzt. Die Künstlerin ist überzeugt, dass jeder Mensch mit jedem anderen und der Umwelt in irgendeiner Form verbunden ist, etwas aufnimmt und etwas abgibt, sodass immer ein Wechselspiel entsteht.
Maqsoodi wählt das Material und auch die Art der Ausführung sehr bewusst. Sie möchte aus dem Material herausholen, was es ihr aufgrund seiner typischen Eigenschaften anbietet. Die Künstlerin malt hier nicht auf das Glas, sondern mit den farbigen, fein abgestuften Elementen. Der Einsatz der Spiegel im Hintergrund sorgt dafür, dass je nach Lichteinfall und Tageszeit eine unterschiedliche Stimmung erzeugt wird. „Die Spiegelung im Medium Glas symbolisiert die Wahrheit, erzeugt eine fortlaufende Reflexion und bindet den Betrachter in das Werk ein“ so die Intention der Künstlerin selbst. Die Betrachter:innen werden also mit ihrem gespiegelten Selbst konfrontiert.
Das Kunstwerk lädt die BesucherInnen in doppeltem Sinn ein, Teil des Werks und der Gemeinschaft zu werden, als Figur im Raum, aber auch im Nachdenken über das Segel und über Glaubensfragen. Ganz besonders wichtig ist es der Künstlerin, dass sich jeder und jede selbst eigene Gedanken zu dem Werk macht. Sie möchte Licht, Kraft und Hoffnung schenken und wünscht sich mit ihrem Werk etwas Positives in die Welt zu tragen. Mit diesem Feuerwerk aus Licht und Farbe ist ihr das auf jeden Fall gelungen.
Hintergrund /Konzept:
Den Auftrag für die dauerhafte Wandinstallation erhielt Mahbuba Maqsoodi von dem internationalen katholischen Missionswerk missio. So finden sich auf mehreren Stockwerken künstlerische Interventionen von Künstlern und Künstlerinnen unterschiedlicher Kontinente. Damit kommt es zur Begegnung verschiedener Kulturen und der Kunst, auch für BesucherInnen.
Mahbuba Maqsoodi erhält mit ihrem Werk „Sail“ einen Ehrenplatz unterm Dach, im größten Raum des Gebäudes. Für die Konzeption hat sie sich intensiv mit der Geschichte und der Arbeit des Internationalen Katholischen Missionswerkes auseinandergesetzt. Das Motiv spiegelt für sie in der Symbolik eines weltumspannenden Segels das Engagement des Missionswerks auf der ganzen Welt wider. Sie sieht darin das heutige Selbstverständnis der katholischen Kirche als missionarische Weltkirche, die die kulturelle Vielfalt in sich verbindet. Das Motiv des Segels ist für sie aber noch viel mehr: „Ein Segel bringt ein Schiff zu fremden Ufern, eröffnet Horizonte“ und verändert damit auch den Blick auf die Welt. Es lässt aber auch, und das ist der Künstlerin besonders wichtig, den Betrachtenden viel Spielraum für Assoziationen. Ein Segel, vom Wind angetrieben bringt das Schiff voran. Der Aufbruch in eine neue Welt steht auch für das Überschreiten von Erfahrungen und für einen Neubeginn. Es kann daher als Sinnbild für die Öffnung eines tieferen Bewusstseins verstanden werden.
Mahbuba Elham Maqsoodi
Die Künstlerin Mahbuba Maqsoodi lebt und arbeitet in München. Glas ist ein wichtiges Medium in ihrem Werk, aber bei Weitem nicht das einzige. In Afghanistan erlernte sie die Miniaturmalerei. Nach der Flucht aus Ihrer Heimat studierte sie Kunst in St. Petersburg und promovierte in Kunstgeschichte. 1994 erhielt sie mit ihrer Familie in Deutschland politisches Asyl und fand in München eine neue Heimat. Die Werke Mahbuba Maqsoodis sind weithin gefragt. 2019 gewann sie den Künstlerwettbewerb für die Fenstergestaltung in der kunsthistorisch bedeutenden Abteikirche St. Mauritius in Tholey.
Anneli Kraft