Claire Weides-Coos: chapel street no 5 – 80 x 60 – 2021 – Acryl / pigments © Claire Weides-Coos
Gehen – von Gestern nach Morgen. Yesterday Tomorrow. Den Weg erleben, das Umfeld sehen. Den Kunst-Raum aufmerksam mit allen Sinnen durchschreiten. Vom 17. März bis zum 3. April werden Werke von Claire Coos-Weides in der Valentiny Foundation gezeigt. Die Luxemburger Künstlerin lebt und arbeitet in Mamer und präsentierte Ihre Arbeiten bereits in zahlreichen Ausstellungen in Luxemburg und in den Nachbarländern.
Für ihre Ausstellung in der Valentiny foundation gruppiert die Malerin Claire Weides-Coos ihre neuen Werke in Serien, die sie dem Inhalt entsprechend nach Straßenmustern ordnet. Das, was auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich klingen mag, zeigt sich beim genauen Hinsehen jedoch als ebenso begründetes wie faszinierendes Unterfangen: Entstanden ist ein vielschichtiger Kunstplan durch eine besondere Art-Stadt.
Auf dem Weg vom Gestern nach Morgen gehen wir über die Chapelstreet, durch die Baum-Allee und die Kappelikatu quer zu ihren bekannten Spiegelbildern in der Mirror Street. Entlang der Chapelstreet gedenken wir dem Genius alter Bekannter. Hommage an Jean S. Bach, Honoré de Balzac, Emile Cioran, Albert Camus, Fernando Pessoa, Marcel Proust, Maria Callas, Hermann Hesse, Louis Pasteur. Lichtdurchflutete, geometrische an- , über- und ineinander geordnete Farbquadrate, harmonische Bild-Reverenzen der Künstlerin an Menschen, die Maßstäbe gesetzt haben und seit Jahren ihre kulturellen Wegbegleiter sind.
Wir ziehen weiter durch die Baum-Allee, vorbei an grafisch und farblich wohltemperierten Verweisen, blicken zum Pink Tree, lauschen den Farben unter dem Wonder Tree, um unter dem Apple Tree, beim Mushroom Tree und schließlich beim Diptychon Yesterday/Tomorrow zu verweilen. Dann treten wir ein in die kontemplative Stille der Kappelikatu. Ein mediales Umfeld im Dialog von streng strukturierten geometrischen Linien und Flächen mit der freien Formensprache, die mit sparsam eingesetzten leuchtenden Farbakzenten die dunkelblaue bis dunkelgraue Harmonie der Geometrie einfühlsam aufbricht.
Claire Weides-Coos nimmt uns mit auf eine besondere Wanderung quer durch ihre eigene innere poetische Stadtlandschaft. Fläche, Form, Farbe, Raum und Volumen werden in einem spannenden Prozess hinterfragt – ein schier unerschöpflicher Reichtum an Gestaltungsmöglichkeiten.
Denn die Malerin variiert die einzelnen Elemente und kombiniert sie in immer neuen Konstellationen. Ihr Vorgehen ist dabei ebenso systematisch wie intuitiv: So bleibt mitten in der zeichnerischen Strenge und der präzise strukturierten farblichen Dichte genügend Raum für die spontane Geste und das menschliche Maß.
Die akribischen Konturen der Linien, die geometrischen Elemente werden nicht zum berechneten Selbstzweck. Behutsam werden sie mit subtilen Mitteln aufgebrochen, zurückgenommen, entdramatisiert.
Über die rein intellektuelle, mitunter mathematisch nachvollziehbare Ästhetik der Geometrie hinaus entstehen so Werke, die mit ihrem komplexen Gehalt emotionale Assoziationen zulassen.
Claire Weides-Coos‘ aktuelle Bilder leiten uns erneut in eine mysteriöse, fast mystische Räumlichkeit. Und verweisen auf biographische Ereignisse, auf Gefühle, auf individuelle Erlebnisse, auf persönlichen Be- und Empfindlichkeiten, auf innerlich verarbeitete visuelle Eindrücke.
Die Farben dieser Werke symbolisieren Freude und Leid, Hoffnung und Verzweiflung, Leben und Tod, Wachsen und Vergehen, Tag und Nacht, Himmel und Erde, Feuer und Wasser… Kunst als Symbiose aus intellektueller Systematik und spannungsvoller Intuition also.
Solche Werke sind nicht für den schnellen Schaufensterblick gedacht, sie wollen in Ruhe erlebt, betrachtet, gelesen werden. Künstler und Künstlerinnen wie Claire Weides-Coos gehen ihren Weg beharrlich und beständig. Sie verfangen sich nicht im Zeitgeist und lassen sich nicht durch schnelllebige Modeerscheinungen beirren. Sie reagieren und hinterfragen. Sie fordern uns auf, genau hinzusehen. Sie geben Zeugnis von der Wichtigkeit der Kunst in unserem Alltag. Gerade dann, wenn, wie im Augenblick, in eben diesem Alltag an jeder Wegbiegung Ungemach lauert.
Paul Bertemes