Pinchas Zukerman © Cheryl Mazak
„Romantik satt“ wurde den Zuhörern versprochen, ein zutiefst emotionaler und musikalisch hochkarätiger Sonntagmorgen geliefert. Für den Dirigenten der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Pietari Inkinen, ging ein lange ersehnter Wunsch in Erfüllung: Gemeinsam mit seinem ehemaligen Musiklehrer und Mentor, Starviolinist Pinchas Zukerman, betrat er die Bühne, um Elgars Konzert für Violine und Orchester h-Moll op. 61 zu präsentieren. Nachdem dieser Auftritt bereits vor über zehn Jahren in New York hätte spontan stattfinden können, durch die Konzerttournee Inkinens jedoch nicht zustande kam, strahlten Dirigent, Orchester und Publikum gleichermaßen erwartungsvolle Spannung aus.
Edward Elgars Violinkonzert, das von seiner unerfüllten Liebe zu Alice Stuart Wortley inspiriert wurde, scheint wie gemacht zu sein für den Grandseigneur an der Geige. Inkinen selbst sagt über Zukerman, dass er wie kein anderer einen fortwährenden Bezug zur Romantik habe. Und so überzeugte dieser mit dem für ihn charakteristischen satten, gehaltvollen Ton, der ihn in den kulturellen Metropolen der Welt zu einem verehrten Gast macht. An diesem Morgen in der Saarbrücker Congresshalle war es die Balance zwischen den virtuos dargebotenen Solopassagen und der Harmonie mit dem sich im Hintergrund haltenden und dann wieder kraftvoll einsetzenden Orchester, die für Begeisterung sorgte. Während der Applaus des Publikums nach 45 Minuten Abtauchen in faszinierende Klangwelten kein Ende finden wollte, verabschiedete sich Zukerman – mit den Orchestermitgliedern scherzend – von der Bühne. Für ihn ein Auftritt von vielen, für die Musiker der Radiophilharmonie eine Ehre und für die Ohren und Herzen der Zuhörenden ein Genuss, wie man ihn in dieser Größenordnung nur selten erlebt.
Wer jedoch glaubte, eine im Vergleich zum ersten Teil abflachende zweite Konzerthälfte zu erleben, hat sich getäuscht. Mit Jean Sibelius Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43 folgte ein ebenso leidenschaftliches Stück, das seit Beginn des 20. Jahrhunderts als seine meistgespielte und populärste Sinfonie gilt. Der Grund dafür mag in der Zugänglichkeit der Melodie liegen: Nach der Tragödie im ersten Satz entführt der Komponist seine Musiker und Zuhörer in den Süden nach Italien, wo er selbst zur Entstehungszeit der Sinfonie weilte. Inkinen kündigte in der Einführung zum Konzert bereits an, man könne den mediterranen Wind geradezu hören und tatsächlich luden die fließenden Klänge, die im dritten Satz in ein melancholisch-mystisches Fagott-Soli übergingen, zum Träumen ein. Der Konzertmorgen schloss mit dem fulminanten Finale, das auf engstem Raum einer Fülle von Themen zwischen Trauer und Triumph Platz bot und dabei stark an Tschaikowsky erinnerte. Obwohl die Sinfonie noch in den 1940ern als Ode an die finnische Freiheit interpretiert wurde und auch mit Blick auf die Entstehungszeit an die Besatzung Finnlands durch den russischen Zaren erinnern mag, betitelte Sibelius selbst sie als eine persönliche Seelenbeichte – ein Stück, das von Herzen kommt. Und so wurde das schwärmende Saarbrücker Publikum, weit entfernt von Finnland und dessen Geschichte, aber umhüllt von den eigenen Gedanken zum romantischen Thema der Matinée, in einen Sonntagnachmittag voller Frühlingsgefühle entlassen.
Tanja Block